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Patientenverfügungen: Sterben dürfen und sterben lassen

Erneut diskutiert der Bundestag über Patientenverfügungen: Was können Kranke verlangen, wo ziehen Ärzte Grenzen?

Berlin - Im Dezember war das Thema noch einmal verschoben worden, und manche unterstellten dafür gleich inhaltliche Gründe. Man spiele auf Zeit, um in dieser Wahlperiode kein Gesetz mehr hinbekommen zu müssen. Vermutlich war der Grund banaler. Der Bundestag befasste sich einen Tag zuvor bereits mit Spätabtreibung, und man wollte etwas zeitlichen Abstand zur nächsten ethisch aufgeladenen Debatte. An diesem Mittwoch steht sie nun aber auf der Tagesordnung: die erste Lesung der Gesetzentwürfe zur Patientenverfügung.

Drei gibt es bis dato, und sie berühren und akzentuieren so sensible Grenzbereiche wie Lebensschutz, Medizinerverantwortung, Patientenautonomie oder Sterbehilfe. Mit Patientenverfügungen kann man im vorhinein festlegen, wie man im Fall einer tödlichen Krankheit oder Bewusstlosigkeit ärztlich behandelt werden will. Rund neun Millionen solcher Festlegungen soll es in Deutschland bereits geben. Triebfeder ist oft die Angst, im Fall der Fälle ohne Aussicht auf Besserung mit Maschinen künstlich am Leben erhalten zu werden. Allerdings ist ungeklärt, wie verbindlich solche Vorab-Verfügungen sind und sein dürfen – etwa bei mündlichen Äußerungen oder im nicht unumkehrbar tödlichen Krankheitsverlauf.

Patientenwunsch über alles. Der Entwurf des SPD-Rechtspolitikers Joachim Stünker sieht vor, einem schriftlich festgelegten Patientenwillen absoluten Vorrang einzuräumen. In der Konkurrenz mit den anderen Anträgen gilt er als Favorit. Die meisten seiner 206 Unterschriften hat der Entwurf aber schon seit über einem Jahr. Für die beiden differenzierteren Vorlagen dagegen werden erst seit Herbst Unterschriften gesammelt – mit wachsendem Erfolg.

Entscheidungsfindung am Bett des Kranken. Der Entwurf der Unionspolitiker Wolfgang Zöller (CSU) und Hans Georg Faust (CDU) setzt darauf, der Verfügung hohe Verbindlichkeit beizumessen, Angehörige und Ärzte aber stark einzubeziehen. Gelten müsse der mutmaßlich aktuelle Wunsch, der auch mündlich geäußert sein dürfe, heißt es. Und dass es keinen Automatismus geben dürfe. Arzt und Betreuer müssten im Einzelfall prüfen, ob die Festlegung mit medizinischem Fortschritt und aktueller Befindlichkeit vereinbar sei. Bei Dissens entscheidet das Vormundschaftsgericht. Gelten soll der Patientenwille allerdings nicht nur bei unumkehrbar tödlichem Verlauf, da dies oft schwer vorhersagbar sei. Der Antrag kommt bisher auf 61 Unterzeichner, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel. Neben Unionspolitikern haben auch viele Linke unterschrieben, daneben FDPler und Sozialdemokraten wie Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin.

Nicht jede Verfügung darf gelten. Am vorsichtigsten ist der Entwurf von Wolfgang Bosbach (CDU) und Katrin Göring- Eckardt (Grüne, 106 Unterstützer). Er fordert, die Verbindlichkeit von Verfügungen an umfassende Beratung zu koppeln. Dafür sei ein zweistufiges Verfahren nötig: Für Festlegungen bei absehbar tödlichem Krankheitsverlauf reicht eine einfache schriftliche Verfügung, für den Fall, dass Heilungschancen bestehen, braucht es eine notarielle Beglaubigung. Dahinter steckt die Überlegung, dass manche, die sich vor Jahren etwa pauschal gegen künstliche Beatmung wandten, womöglich froh sein könnten, wenn sich Ärzte im Ernstfall nicht sklavisch daran hielten. So sei künstliche Beatmung nach Unfällen oft medizinisch sinnvoll.

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