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Der republikanische Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, Paul Ryan.

© afp

Paul Ryan: Der Vize als Wahlkampftreiber

42 Jahre und ein bubenhaftes Lächeln: Paul Ryan wirkt auf die Republikaner wie eine Frischzellenkur und peitscht Mitt Romneys Anhänger auf. Ein Besuch in Virginia.

Die Stimmung ist aufgeheizt. Dabei wird der Star erst in 30 Minuten erwartet. Das Publikum ist typisch republikanisch: Weiße im Alter über 55, zwischen ihnen wenige Asiaten, Afroamerikaner und jüngere Weiße. Gut tausend Menschen stehen dicht an dicht in der Turnhalle der High School von Springfield in Virginia, etwa 50 Kilometer südlich der Hauptstadt Washington, um Paul Ryan, den Vizepräsidentschaftskandidaten von Mitt Romney, zu sehen. „USA“-Sprechchöre füllen die Turnhalle.

Einige halten Poster in die Höhe: „Virginia believes“. Für die meisten hier ist Politik eine Glaubensfrage. Sie sind nicht gekommen, um sich eine Meinung zu bilden. Wenn man nach ihrer Sicht fragt, rattern sie die Wahlkampfslogans herunter. Unter Obama stagniere die Wirtschaft und steigen die Schulden, sagt Tom, ein drahtiger Weißhaariger, dessen Firma von Aufträgen des Pentagon lebt. Obama habe Versöhnung zwischen den Lagern versprochen, ergänzt seine Frau Ann, aber jetzt führe er „die hässlichste Verleumdungskampagne in der Geschichte“. Aus fast allen Gesprächen lässt sich Verachtung für Obama heraushören.

Sehen Sie hier Bilder aus dem amerikanischen Wahlkampf:

Virginias Generalstaatsanwalt Ken Cuccinelli hat die Ehre, Ryan vorzustellen. Er sei ehrlich und integer. Er werde die Schulden abbauen, das Budget ausgleichen und Medicare, die staatliche Gesundheitsversorgung der Senioren, so reformieren, dass sie angesichts der alternden Gesellschaft zahlungsfähig bleibe. Ryan wirkt in dieser Umgebung mit seinen 42 Jahren und dem bubenhaften Lächeln wie eine Frischzellenkur. Die Ärmel seines blauweiß karierten Hemdes hat er hochgekrempelt. Er stemmt die Hände mal in die Hüften, mal verschränkt er sie vor der Gürtelschnalle, während Cuccinelli spricht, und blickt sich aufmerksam im Raum um. Als er ans Mikrofon tritt, nutzt er den Namen der heimischen Sportmannschaft, der an der Anzeigetafel steht, um ein persönliches Band zu knüpfen. „Es ist eine Freude, hier zu sein, in der Heimat der Panther!“

Wenn Ryan auftritt, gröhlt der Saal

Ryan spricht langsam, deutlich und mit Nachdruck, wird aber nie unnatürlich laut. Mitunter erweckt er den Anschein von Fairness. „Obama hat eine schwere Wirtschaftslage geerbt“, konzediert er, fügt aber nach einer Kunstpause hinzu. „Warum muss er alles noch schlimmer machen?“ Der Saal gröhlt. Das Land stehe vor einer Richtungswahl. „Wollt ihr Obamas Weg: noch mehr Schulden und den Abstieg Amerikas?“ „No!“, ist die hundertfache Antwort. Dann kommt er zur Zukunft von Medicare und zum Militäretat, beides Kernthemen für Republikaner hier in Nordvirginia. Viele leben von Pentagon- Aufträgen. Und angesichts des Altersschnitts sorgen sich die meisten um die Zukunft der Gesundheitsversorgung der Senioren. Es sind zugleich Beispiele für atemraubende Verdrehungen.

Obama sei „der Totengräber von Medicare“, sagt Ryan. Er wolle rund 700 Milliarden Dollar kürzen, um seine Gesundheitsreform zu bezahlen. In Wahrheit will Ryan dieselben 700 Milliarden kürzen, um das Budget auszugleichen; aber das sagt er nicht. Er klagt Obama auch wegen der anstehenden Kürzungen im Militäretat an; das gefährde die nationale Sicherheit. Es sind Kürzungen, die der Kongress beschlossen hat, nicht der Präsident – und Ryan hat für diesen Kompromiss gestimmt. Hier im Saal will niemand diese Widersprüche wahrhaben.

Virginia ist ein entscheidender „Swing State“. Im Norden sind die Republikaner in der Minderheit, im Süden dominant. „Wenn wir das demokratische Übergewicht im Norden begrenzen und viele Republikaner an die Urnen bringen, gewinnen wir Virginia“, sagt Greg, ein Wahlhelfer. Hier in Springfield fühlen sie sich mobilisiert. In der Woche seit Ryans Ernennung ist Obamas Vorsprung in den Umfragen für Virginia von drei auf ein Prozent geschrumpft.

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