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Roland Vogt.

© privat

Pazifist Vogt zum Libyenkrieg: "In jedem Fall wären Menschen gestorben"

Der Pazifist und frühere Bundestagsabgeordnete Roland Vogt spricht im Interview über die Militärschläge in Libyen - und eine Begegnung mit Muammar al Gaddafi.

Herr Vogt, was hält ein erklärter Pazifist wie Sie von Militärschlägen gegen Libyen?

Eines ist leider sicher: Ob die internationale Gemeinschaft in Libyen eingegriffen hätte oder nicht, in jedem Fall wären Menschen zu Tode gekommen. Da ich aber grundsätzlich gewaltfreies Handeln favorisiere, werbe ich dafür, alles zu tun, dass es sehr bald zu einem Waffenstillstand kommt.

Sind Sie ein Gegner oder ein Befürworter des Krieges?

Ich bin gegen jeden Krieg, weiß aber um die Gefahr eines Massakers, wenn die Flugverbotszone nicht durchgesetzt worden wäre. Die sehe ich als weltpolizeilich gemeinte UN-Maßnahme, bei der aber leider der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt wurde. Die Motive der Bombermächte sind wohl nicht nur humanitär, es gibt auch handfeste wirtschaftliche Interessen.

1982 haben Sie Gaddafi mit anderen Friedensbewegten besucht, wofür Sie auch von Ihrer eigenen Partei heftig kritisiert wurden. Konnten Sie das nachvollziehen?

Ja und nein. Uns war natürlich schon bewusst, dass wir ein Wagnis eingegangen sind, als wir den zumindest aus angelsächsischer Sicht damaligen Weltfeind Nr. 1 besuchten. Aber ich war der Auffassung, an eher privaten Sondierungsgesprächen teilzunehmen.

Was war privat an der Reise?

Wir waren keine Delegation, wie es danach hieß, die meisten Teilnehmer kannten einander vorher gar nicht. Ich hatte zum Beispiel meine Familie dabei, wie auch ein italienischer Mitreisender. Und wir hatten eigentlich verabredet, keine Journalisten mitzunehmen.

Der Journalist Benedict Mülder war aber dann doch dabei.

Das hatte der mitreisende Otto Schily eigenmächtig so eingefädelt.

Hatten Sie denn etwas zu verheimlichen?

Nein, denn meine Absicht war es, Gaddafi von unseren Ideen des gewaltlosen Widerstandes zu überzeugen. Das ist meiner Ansicht nach ein legitimes Anliegen, auch wenn manche es als naiv ansahen.

Widerstand gegen was?

Gegen die Stationierung von Nato-Mittelstreckenraketen in Comiso in Südsizilien. Dagegen wollte ich westeuropaweit friedensbewegte Menschen mobilisieren, wohlgemerkt für gewaltfreie Aktionen wie Sitzblockaden. Auch Gaddafi fühlte sich von den Raketen bedroht – wohl zu Recht, da diese ja angeblich Richtung Warschauer Pakt ausgerichtet sein sollten, aber an der Gegenküste Libyens stationiert wurden. Gaddafi war durchaus bereit, dagegen Gewalt anzuwenden, wie er im Vorfeld unserer Reise anlässlich eines Besuchs beim damaligen österreichischen Kanzler Bruno Kreisky geäußert hatte. Er war überzeugt, dass die USA nur die Sprache der Gewalt verstünden. Als wir dann nach Tripolis eingeladen wurden, wollten wir die Reise nutzen, um ihn davon abzubringen.

Wie erfolgreich waren Sie dabei?

Zum Abschluss sagte Gaddafi, dass er uns viel Erfolg bei unseren, wie er sagte, „friedlichen“ Aktionen wünsche. Obwohl er hinzufügte, im Falle unseres Scheiterns möglicherweise doch noch Kämpfer zu schicken, bin ich überzeugt, dass wir zumindest eine kleine Positionsveränderung bewirkten. Wir hatten eine klare Botschaft, und die ist angekommen.

Nach Ihrer Rückkehr wurde das anders gesehen, Sie wurden zum Rückzug aus dem Bundesvorstand der Grünen aufgefordert.

Worüber ich mich wirklich ärgere, ist, dass wir unsere Mission, Gaddafi mit den Ideen des gewaltfreien Widerstands konfrontiert zu haben, nicht offensiv vermittelt haben. Stattdessen erschien der Artikel von Herrn Mülder in der „Taz“ und später noch einer im „Spiegel“, woraufhin uns viele Naivität vorwarfen und uns dafür verurteilten. Politisch hat mir das fast das Genick gebrochen.

Hatten Sie nach Ihrer Reise noch Kontakt zu Gaddafi?

Nein.

War er Ihnen eigentlich sympathisch?

Er war zumindest nicht offenkundig unsympathisch. Auf mich wirkte er wie ein Mensch, der eine Mission hatte, die er mitteilen wollte. Und Libyen hatte er nach grausamer italienischer Kolonialherrschaft und im Anschluss an den unblutigen Putsch gegen König Idris wieder aufgebaut. Wir gewannen bei unserem Besuch den Eindruck, dass es den Libyern vergleichsweise gut ging. Gaddafi und die Revolutionskomitees haben die Reichtümer des Landes so verteilt, dass auch die normalen Menschen davon profitierten, das Bildungs- und Gesundheitssystem deutlich verbessert. Auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau war, nach allem, was wir in den fünf Tagen erfahren haben, deutlich fortgeschrittener als in anderen arabischen Ländern.

Roland Vogt, 70, saß von 1983 bis 1985 für die Grünen im Bundestag. 1978 hatte er die SPD aus Protest gegen ihre Haltung zur Atomenergie verlassen. Mit ihm sprach Juliane Schäuble.

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