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Politik: PDS: Abschied im Zorn

Gregor Gysi muss etwas geahnt haben. Schon vor Weihnachten ermunterte der frühere Fraktionschef seinen langjährigen Mitstreiter Lothar Bisky, die Debatte um ein neues Grundsatzprogramm der PDS voranzutreiben.

Von Matthias Meisner

Gregor Gysi muss etwas geahnt haben. Schon vor Weihnachten ermunterte der frühere Fraktionschef seinen langjährigen Mitstreiter Lothar Bisky, die Debatte um ein neues Grundsatzprogramm der PDS voranzutreiben. Er hoffe, dass Bisky als Vorsitzender der Programmkommission sich "verstärkt dieser Frage widmen wird und nicht in Unlust verfällt". Schließlich gehe es darum, dass die Partei nicht nur im eigenen Saft schmore, appellierte Gysi. Der Vorsitz der Programmkommission war der einzig verbliebene bundespolitische Job des ehemaligen Parteichefs Bisky, der sich im vergangenen Herbst in die brandenburgische Landespolitik zurückgezogen hatte - am vergangenen Montag schmiss Lothar Bisky ihn hin. Auslöser für den Rückzug war der Beschluss des Vorstands vom Montag, das Parteiprogramm nicht mehr - wie von der alten Parteiführung angestrebt - vor der Bundestagswahl 2002 zu verabschieden.

Drei Tage noch konnten die Genossen die Entscheidung geheim halten, dann offenbarte sich Bisky selbst dem "Neuen Deutschland". Zu seinem "unwiderruflichen Entschluss" sei es gekommen, weil er eine "Verhindererfraktion" in der Programmdebatte sehe. Sie habe zwar keine Mehrheit in der PDS, zögere aber die Diskussion seit Jahren mit den immer gleichen Argumenten hinaus. "Ich habe mich in den vergangenen Jahren tausend Mal dem semantischen Terror in endlosen Debatten gebeugt." Entscheidende Fortschritte in der Programmdiskussion aber seien unerlässlich, "wenn wir nicht unglaubwürdig in den Bundestagswahlkampf gehen wollen".

Der Schritt Biskys ist mehr als ein formaler Rückzug aus einem ungeliebten Amt. Er ist das Eingeständnis einer Niederlage. Der Ausstieg sollte die PDS nach Ansicht ihres Bundesgeschäftsführers Dietmar Bartsch wachrütteln. "Die Partei muss den Schritt ernst nehmen", sagte Bartsch am Donnerstag in Berlin. Den Reformern in der PDS ging es darum, über die Neufassung des Grundsatzprogramms aus dem Jahre 1993 die Öffnung der Partei voranzutreiben - und vor allem, im wichtigen Bundestagswahljahr 2002 inhaltliche Akzente zu setzen. Doch die Bremser im Vorstand fürchten, die PDS solle nur "koalitionsfähig" mit der SPD gemacht werden. Statt inhaltlicher Debatten favorisieren die Traditionalisten die Auseinandersetzung über den Zeitpunkt für ein neues Programm - in Kauf nehmend, dass dadurch auch Parteichefin Gabi Zimmer beschädigt wird. Gemeinsam mit Bisky hatte sie dem Vorstand vorgeschlagen, dass bis Ende März 2001 der Entwurf für ein überarbeitetes Programm unterbreitet wird. Der Vorstand jedoch beschloss lediglich den Auftrag an die Programmkommission, ein "Grundlinien-Papier" zur Überarbeitung des Programms vorzulegen. "Das ist draußen nicht mehr zu vermitteln", klagt ein Öffentlichkeitsarbeiter der Partei.

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