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Politik: Pekings Polizei steht dem Protest der Sektenanhänger hilflos gegenüber

Sie rufen keine Sprechchöre, sie tragen keine Transparente. Und doch sind sie der chinesischen Führung ein Dorn im Auge.

Sie rufen keine Sprechchöre, sie tragen keine Transparente. Und doch sind sie der chinesischen Führung ein Dorn im Auge. Seit Anfang der Woche versammeln sich jeden Morgen Dutzende Anhänger des Falun-Gong-Kultes auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Die meisten sind mit Zügen aus der Provinz angereist. Ihr stummer Protest richtet sich gegen ein Vorhaben der chinesischen Regierung, das bisherige Anti-Sekten-Gesetz weiter zu verschärfen. "Wir wollen einfach in Ruhe unsere Übungen machen", sagte ein Falun-Gong-Anhänger auf dem Platz, ehe er von der Polizei abgeführt wurde.

Zwischen zwei und zehn Millionen Chinesen sind Schätzungen zufolge Anhänger der Falun-Gong-Bewegung. Vor allem ältere Chinesen, die sich keine Krankenversicherung leisten können, hoffen durch die Übungen ihre Gesundheit zu verbessern.

Gegründet wurde der Kult, der traditionelle chinesische Atemübungen (Qi Qong) mit Ansätzen des Buddhismus und Taoismus verwebt, Anfang der neunziger Jahre von dem selbsternannten Heilsbringer Li Hongzhi. Er lebt heute in den USA im Exil. Li verspricht seinen Anhängern, ihnen ein "Rad des Gesetzes" in den Unterleib einzupflanzen, das angeblich übernatürliche Energien freisetzt.

Bis Anfang des Jahres wurde die Bewegung von der Regierung geduldet. Staatliche Verlage brachten Lis Heilslehren in Millionenauflage auf den Markt. Ende April war es mit der Toleranz jedoch vorbei: Als mehr als 10 000 Kultanhänger in einem Massenaufmarsch den Regierungssitz Zhongnanhai umstellten, schwenkte Pekings Führung um. Im Juli wurde Falun Gong offiziell verboten. Tausende Anhänger mussten dem Kult abschwören. Mehr als Dreihundert führende Falun-Gong-Mitglieder wurden verhaftet.

Zumindest 13 von ihnen soll nun der Prozess gemacht werden. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua wird ihnen hauptsächlich zur Last gelegt, Staatsgeheimnisse preisgegeben und illegale Dokumente ins Ausland geschmuggelt zu haben. Die schwammige Anklage deutet darauf hin, dass Peking wenig gegen den Kult in der Hand hat. Als Staatsgeheimnis gilt in China jedes behördliche Schreiben - sogar der Wetterbericht. Dennoch drohen den Angeklagten Haftstrafen zwischen fünf Jahren und lebenslänglich.

Offensichtlich will Chinas Führung mit einem Schauprozess die noch immer zahlreiche Falun-Gong-Anhängerschaft im Land warnen. Denn trotz der monatelangen Kampagne, die Falun Gong als eine "teuflische Verführung" und als eine "Gefahr für die Volksseele" diffamiert, lässt sich die Bewegung im Volk offensichtlich nicht ausmerzen.

Am Sonntag demonstrierten mehrere Studenten in der Qinghua-Universität in Peking, indem sie Falun-Gong-Übungen auf dem Campus praktizierten. 34 Studenten wurden von der Polizei festgenommen.

Auch bei den derzeit täglichen Protesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens, Chinas politischem Zentrum, versuchen die Behörden durch Festnahmen den Protest einzudämmen. Vergeblich: Viele der Kultanhänger, die am Montag von den Sicherheitskräften abgeführt wurden, waren nach ihrer Freilassung am Dienstag gleich wieder auf dem Platz.

Harald Maass

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