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Peter Müller (54) ist seit 1999 Regierungschef im Saarland.

© Kitty Kleist-Heinrich

Peter Müller: "Eine Volkspartei muss Politik für die Mitte machen"

Saar-Ministerpräsident Peter Müller (CDU) spricht mit dem Tagesspiegel über das Umfragetief der Koalition, den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel und seine künftige Rolle in der Partei.

Herr Müller, wie lange kann die CDU Umfragewerte um 30 Prozent aushalten?

Die Umfragewerte sind höchst unbefriedigend. Wenn wir den Anspruch der Volkspartei aufrechterhalten wollen, brauchen wir Wahlergebnisse von 40 Prozent plus X. Wir müssen deshalb dringend darüber nachdenken, wie wir für eine höhere Akzeptanz der Union sorgen können.

Führen Sie die Krise allein auf den Dauerstreit der schwarz-gelben Koalition im Bund zurück oder gibt es tiefer gehende Gründe?

Dass die Streitereien der Koalition geschadet haben, steht außer Frage, dies allein taugt aber nicht als Erklärung. Es gibt ein Bündel von Ursachen für das gegenwärtige Umfragetief. Grundsätzlich nimmt die Bindungskraft großer Organisationen ab. Das gilt für Kirchen, Gewerkschaften und natürlich auch für Parteien. Dazu kommt, dass Politik es in diesen Zeiten mit komplexen Problemen zu tun hat, auf die es keine einfachen Antworten gibt. Dies öffentlich gegenüber den Bürgern darzustellen, ist oft sehr schwer. Darunter leidet letztlich das Profil, die Unterscheidbarkeit der Parteien.

Was kann, was muss die CDU tun?

Wir müssen deutlich machen, dass wir eine konservative, eine liberale, aber auch eine soziale Partei sind. Die CDU kann nur erfolgreich sein, wenn sie für wirtschaftlichen Erfolg und soziale Gerechtigkeit gleichermaßen steht. Dieser Grundsatz muss bei allen Entscheidungen in Berlin erkennbar bleiben. Auch deshalb halte ich meine Forderung aufrecht, das Sparpaket der Bundesregierung stärker sozial auszubalancieren und den Spitzensteuersatz anzuheben. Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache.

Da wird die FDP kaum mitmachen.

Abwarten. Ich gehe davon aus, dass es im Zuge der parlamentarischen Beratungen des Sparpakets Bewegung geben wird und wir über einen Beitrag der Besserverdienenden noch einmal reden.

Als Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin trägt letztlich Angela Merkel die Verantwortung für den Zustand der CDU. Was macht sie falsch?

Merkel macht einen prima Job – als Parteivorsitzende und als Bundeskanzlerin.

Klingt seltsam: Der Partei geht es schlecht, aber die Chefin macht einen prima Job …

Die Entwicklungen, mit denen wir es zu tun haben, sind gesamtgesellschaftliche Entwicklungen. Die SPD hat darunter übrigens viel stärker gelitten als wir. Außerdem ist klar: Die derzeitige Lage der CDU hat nicht eine einzelne Person zu verantworten. Die Akzeptanzwerte Angela Merkels sind besser als diejenigen der CDU.

Mit ihrem Modernisierungskurs etwa in der Familienpolitik hat die CDU unter Merkel versucht, neue Wählerschichten zu gewinnen. Zugleich gingen der Union aber Stammwähler in erheblichem Umfang verloren. Ist Merkels Strategie gescheitert?

Nein, denn letztlich gibt es zu dieser Strategie keine Alternative. Wenn eine Partei nicht auf die Veränderungen in der Gesellschaft reagiert, landet sie auf Dauer im Abseits. Eine Volkspartei muss Politik für die Mitte machen, sonst ist sie bald keine mehr.

Die CSU fordert: Die Union muss wieder konservativer werden.

Dies allein ist unzureichend. Natürlich müssen wir unsere konservativen Stammwähler weiter binden. Der Schutz des Lebens und die Liebe zur Heimat, das Bekenntnis zu Deutschland und die Bewahrung der Schöpfung müssen deshalb Themen der CDU bleiben.

Reicht das aus, um enttäuschte Wähler zurückzugewinnen?

Um Vertrauen zurückzugewinnen, müssen wir konsequent darauf achten, unsere Politik mit Grundwerten zu verbinden. Die pragmatische Lösung bei tagesaktuellen Fragen steht zu sehr im Vordergrund. Es wird nicht hinreichend klar, von welchen Prinzipien wir uns leiten lassen. Das müssen wir ändern, ich glaube, hier liegt ein wichtiger Schlüssel. Das alles wird aber wenig nützen, wenn CDU, CSU und FDP die notwendigen Auseinandersetzungen in der Sache in Zukunft nicht intern führen, sondern weiterhin vor allem öffentlich.

Im Streit um die Zukunft der Kernkraft verlangt CSU-Chef Horst Seehofer jetzt unbegrenzte Laufzeiten für sichere Meiler. Fällt das noch in die Kategorie notwendige Auseinandersetzung oder handelt es sich um Krawallmacherei?

Die Forderung ist jedenfalls mit den Positionen der CDU nicht zu vereinbaren. Für die CDU ist die Kernkraft eine Brückentechnologie. Für mich besteht kein Grund, an dem unter Rot-Grün ausgehandelten Atomausstieg zu rütteln. Ich glaube, auch meine Partei wäre gut beraten, hier keinen gesellschaftlichen Konflikt wiederzubeleben, den man letztlich nicht gewinnen kann. Hinzu kommt: Ich sehe für längere Laufzeiten keine Bundesratsmehrheit. Und ohne Zustimmung des Bundesrates – wie manche in Berlin und anderswo meinen – wird es eine deutliche Laufzeitverlängerung nicht geben.

Herr Müller, Sie sind inzwischen der dienstälteste Ministerpräsident Ihrer Partei. Liegt es da nicht nahe, auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe für den Posten des stellvertretenden Bundesvorsitzenden zu kandidieren?

Über die Zusammensetzung der CDU-Führungsspitze werden wir in den kommenden Wochen sprechen. Ich sehe meine Aufgabe hier im Saarland darin, die Koalition von CDU, FDP und Grünen vernünftig und erfolgreich zu führen. Es geht darum, zu zeigen, dass ein solches Bündnis funktionieren kann und dass Bündnisse zwischen CDU und Grünen eine Zukunft haben.

Können Sie den Saarländern versprechen, bis zum Ende der Wahlperiode Ministerpräsident zu bleiben oder bereiten auch Sie sich auf den Absprung vor?

Meine derzeitige Lebensplanung sieht den Begriff Rücktritt nicht vor.

Das Gespräch führte Stephan Haselberger.

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