zum Hauptinhalt

Peter Sodann: Bundespräsident einer Utopie

Was macht eigentlich Linken-Kandidat Peter Sodann? Letzte Beobachtungen vor der Wahl am Samstag.

Sein letztes Thema ist ohne Zweifel eines Präsidenten würdig: Es geht um Gott. Und sein Bekenntnis lautet: „Ich bleibe bei den betenden Kommunisten.“ So spricht es Peter Sodann in ein Mikrofon, das an einem dicken Kabel hängt. Etwa 50 Zuhörer hat er in einem Bremer Café, ein wenig abseits der großen Plätze, die an diesem Abend der Evangelische Kirchentag bevölkert. Die Bundestagsfraktion der Linkspartei hat eingeladen, über Gott zu sprechen, Sodann macht an einem Stehtisch den Anfang. „Der Kommunismus und das Christentum haben mich gelehrt, dass es ohne Demut nicht geht.“ Ob der Mensch nun von Gott oder der Natur erschaffen wurde, sei nicht so wichtig, sagt Sodann. Er wirkt müde, nicht einmal zehn Minuten spricht er. Dann ist sein letzter Auftritt vor Publikum als Bundespräsidentschaftskandidat der Linkspartei zu Ende.

Für ihn ist es ein versöhnlicher Abschluss, könnte man meinen, denn es gebe zwei Gruppen, die er besonders mag: „Das ist der Kirchentag und das ist die Linke, denn hier finde ich noch Menschen, die die Welt verändern möchten.“ Der Welt ein wenig zu ihrem Glück verhelfen, das wolle er ebenfalls. Und vielleicht hatte er deshalb im Oktober nach langer Karriere als Schauspieler und Kulturschaffender das Angebot der Linkspartei angenommen. Der 72-Jährige fiel gleich auf mit seinen Äußerungen, etwa dass er Josef Ackermann von der Deutschen Bank gerne mal verhaften wolle. Da schien er aus seiner Rolle als Tatort-Kommissar Ehrlicher gefallen zu sein. Dass Deutschland keine richtige Demokratie habe, weil der Unterschied zwischen Arm und Reich so groß sei, hat Sodann auch noch gesagt.

Das erste Urteil lautete „Polit-Clown“. Als sich die Aufregung gelegt hatte, wurde es ruhig, und am Ende blieb die Frage: Wo ist eigentlich Peter Sodann? Vielleicht wäre diese Frage nicht gestellt worden, wenn nicht seine Konkurrentin Gesine Schwan von der SPD so präsent gewesen wäre. Sodann wollte keinen Wahlkampf, denn das Ergebnis stehe ja fest: „Köhler, das ist die Steigerungsform von Kohl, wird Erster, Schwan wird Vorletzte und ich gewinne Bronze.“ Aufgetaucht ist er nur, wenn man ihn eingeladen hatte, wie in Bremen, oder beim „Neuen Deutschland“ zu einer öffentlichen Diskussion mit zwei Redakteuren. Aber was wollte Sodann eigentlich mit seiner Bewerbung?

Denen aus dem Westen müsse er immer wieder erzählen, warum er sich das antue, Kandidat für die Linke sein, obwohl ihn die SED in der DDR habe einsperren lassen, mäkelt er. „Jawoll, es stimmt, ich bin in einem Unrechtsstaat groß geworden, aber wenn Sie mir zeigen, welcher Staat kein Unrecht begeht – okay.“ Sodann sagt: „Es geht immer um ein Ideal“, und wenn eine Idee wie der Sozialismus stimme, müsse man dabei bleiben und nicht den Kapitalismus gesundbeten. „Wie wir das hinkriegen, das ist dann ein Experiment. Jeder Wissenschaftler darf doch einen Versuch wiederholen.“

Deutschland, zurück ins Labor.

Ganz am Ende seiner Kandidatur, in Bremen, hat er sich noch ganz offiziell eine Aufgabe zugeschrieben: die des Aufbauarbeiters. Darauf kommt er über einen seiner Lieblingssätze. „In der DDR haben wir immer gesagt: Die Basis ist die Grundlage aller Fundamente.“ Den setzt er meist als Scherz ein und erzählt dann die nächste Anekdote. In Bremen will er damit sagen, er lege jetzt die Basis, nach ihm komme einer mit der Grundlage und „in zehn Jahren ist der erste Linke Bundespräsident“.

Im Café steht ein Mann mit dunklem Haarkranz und Brille abseits und beobachtet den Auftritt. Volker Steinke ist eigentlich im Büro der Parteivorsitzenden der Linkspartei beschäftigt, aber in den vergangenen Monaten war er der politische Reisebegleiter des Kandidaten. Als die Veranstaltung zu Ende ist, fragt ihn Sodann: „Darf ich noch ein Bier?“

Ob die Linke über ihren Kandidaten so glücklich war, ist ein eigenes Thema. Entglitten ist der Linken ihr Kandidat jedenfalls nicht, dazu hätte sie ihn unter Kontrolle haben müssen. Einen „Brubbelkopp“ nennt Steinke seinen Gefährten. Beim Europaparteitag der Linken saß Sodann nur dabei, gesprochen hat er nicht. „Es wäre merkwürdig gewesen, wenn er eine europapolitische Grundsatzrede gehalten hätte“, sagt Steinke. Aber dass es noch nicht einmal ein Grußwort wurde – „ein Regiefehler“, räumt Steinke ein. Dennoch sei die Kandidatur ein Erfolg: „Wir hatten doch außer Stefan Heym und Gerhard Zwerenz noch keinen prominenten Künstler, der für uns kandidiert hat.“

Beim „Neuen Deutschland“, vor 80 Besuchern, dauert es nur wenige Minuten und Sodann ist wieder bei Ackermann angekommen. Ja, er würde ihn verhaften, „bei irgendjemand muss man ja anfangen, und Ackermann fängt nun mal mit A an“, sagt er. Von Ackermann habe er gerade wieder gelesen, dass eben einige auf der Strecke blieben, wenn es vorwärtsgehen solle. „Das ist eine der schlimmsten Meinungen, die ich kenne“, sagt Sodann. „Diejenigen, die gesund sind, müssen doch die Kranken mitnehmen.“ Seine Meinung verpackt Sodann gerne in die Sprache eines Kabarettisten: „Ackermann hat nicht über seine Verhältnisse gelebt, er hat über unsere Verhältnisse gelebt.“

Die Verhältnisse, die Peter Sodann sich als Präsident erträumt, hat er sich im Kleinen schon mal vorgestellt. Früher habe er einmal Bürgermeister werden wollen von einem sozialistischen Dorf, „ein richtig schönes, sauberes Dorf mit Kneipe, wo man auch ein bisschen schauspielern kann“. Und wenn er für einen ganzen Staat verantwortlich wäre, dann gelte dies: „Das Land gehört niemandem und die Früchte jedem.“ Bundespräsident einer Utopie – dafür muss Sodann nicht einmal gewählt werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false