zum Hauptinhalt

Politik: Pflegekind misshandelt – Jugendamt muss haften

Karlsruhe Bei einer Misshandlung von Pflegekindern durch Pflegeeltern können Jugendämter wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht haftbar gemacht werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Donnerstag erstmals entschieden.

Karlsruhe Bei einer Misshandlung von Pflegekindern durch Pflegeeltern können Jugendämter wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht haftbar gemacht werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Donnerstag erstmals entschieden. Der Rems-Murr-Kreis in Baden-Württemberg muss nun einem Pflegekind, das bei seinen Pflegeeltern fast verhungert wäre, 25 000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Das Kreisjugendamt in Waiblingen habe die Pflegeeltern nicht ausreichend überprüft. Der Anwalt des Landkreises sagte zu den Auswirkungen des Urteils, künftig werde es „verschärfte Kontrollen“ der Jugendämter bei Pflegefamilien geben müssen, um solche Fälle zu verhindern.

Der 3. Strafsenat des BGH verwarf die Revision des Landkreises gegen eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart, das den Kreis zu Schadenersatz verurteilt hatte. Der Junge lebte von Dezember 1990 bis November 1997 bei der Pflegefamilie, die ihre drei Pflegekinder über Jahre hinweg gequält und unzureichend ernährt hatte. Als der damals achtjährige Andreas im November 1997 aus der Familie genommen wurde, wog er nur 11,8 Kilogramm und hatte mit 104 Zentimetern die Körpergröße eines Vierjährigen.

Da die Pflegeeltern bis 1993 im bayerischen Hof lebten, fühlte sich nach dem Umzug nach Weinstadt-Beutelsbach im Herbst 1993 das dortige Kreisjugendamt zunächst nicht zuständig und stritt mit dem Kreisjugendamt Hof um eine Übernahme der Hilfe. Obwohl das Landratsamt Hof im April 1994 das Kreisjugendamt in Waiblingen um „Übernahme des Hilfefalles“ bat, erklärte sich der Rems-Murr-Kreis erst am 1. Juni 1997 für zuständig.

Nach Auffassung des BGH hätte das Waiblinger Jugendamt den Kläger aber bereits nach dem Umzug der Pflegefamilie als „Hilfefall“ übernehmen müssen. Es wäre auch verpflichtet gewesen, sich spätestens im Herbst 1994 durch einen „Antrittsbesuch“ ein eigenes Bild von der Pflegefamilie und insbesondere von dem Pflegekind zu verschaffen. Das Jugendamt hatte Andreas aber nicht ein einziges Mal in Augenschein genommen.ddp

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false