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Pflegekräfte: "Hauptschule ist nicht minderwertig“

Hauptschulabsolventen sollen künftig den Pflegeberuf erlernen dürfen. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) über ihr Vorhaben.

Wie passt es zusammen, die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten auf Pflegekräfte zu befürworten, gleichzeitig nun aber die Zugangsvoraussetzung zur Pflegeausbildung auf den Hauptschulabschluss zu senken?

Unser Bildungssystem muss insgesamt durchlässiger werden. Ein Hauptschüler kann heute nach zehn Jahren Schule eine Ausbildung anfangen, es bis zum Meister bringen und danach studieren. Er bekommt sogar Meister-Bafög. Dazu passt aus meiner Sicht, dass ein Hauptschulabsolvent nach zehn Jahren Schule auch die Chance bekommt, eine Ausbildung als Pfleger zu beginnen. An der Ausbildung selbst und ihren qualitativ hohen Anforderungen für einen erfolgreichen Abschluss wird überhaupt nichts geändert. Das ist mehr Chancengerechtigkeit.

Ordnen Sie die Pflegequalität arbeitsmarktpolitischen Überlegungen unter?

Nein, das hat damit nichts zu tun. Die Hauptschule als Regelschule ist doch nichts Minderwertiges! Wer sie zehn Jahre lang besucht hat, soll die Chance haben, den schwierigen, verantwortungsvollen und auch angesehenen Beruf des Pflegers oder der Pflegerin zu lernen. Alles andere ist letztlich eine Diskriminierung der Hauptschule. Meine Partei hat auch den Rechtsanspruch auf Förderung eines Hauptschulabschlusses durchgesetzt. Das ist die richtige Richtung.

Befürchten Sie nicht, dass Hauptschüler den gestiegenen Anforderungen in den Kliniken nicht gewachsen sind? Schon bei Realschulabsolventen gibt es Probleme …

Auch das Abitur oder der Realschulabschluss sind noch keine Garantie dafür, dass jemand später auf einem hohen Qualitätsniveau pflegt. Ich will mehr Chancen auf diesen Beruf, und ich bin sicher, dass es auch mit Hauptschulabschluss möglich ist, sich in der Pflege zu behaupten. Nicht alle werden das können, aber die, die die Fähigkeiten haben oder entwickeln, sollen auch die Chance nutzen können. Wir müssen alles tun, um die Potenziale der jungen Menschen zu fördern.

Wäre es nicht sinnvoller, erfahrene Pflegekräfte mit besseren Arbeitsbedingungen im Job zu halten als ständig neue auszubilden?

Das ist nicht alternativ. Bei dem Bedarf, der sich abzeichnet, wird beides notwendig sein.

Brauchen deutsche Kliniken und Patienten weniger qualifizierte Pflegekräfte als andere EU-Länder? Deutschland hat schon jetzt im Vergleich die niedrigsten Zugangsvoraussetzungen, und auch die Pflegeausbildung erfolgt in vielen anderen Ländern bereits an Hochschulen.

Ich bitte doch herzlich darum, hier keinen Dünkel zu pflegen. Deutsche Pflegekräfte haben keine Schwierigkeiten, in anderen Ländern eine Arbeit zu finden. Die Ausbildung in Deutschland kann also nicht schlecht sein. Unsere Ausbildung ist ein Qualitätsmerkmal. Sie hat ein hohes Niveau.

Ulla Schmidt (59) ist seit 2001 Bundesministerin für Gesundheit. Seit 1990 sitzt die SPD-Politikerin aus Nordrhein-Westfalen im Bundestag.

Die Fragen stellte

Rainer Woratschka.

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