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© TURKISH_MILITARY

Piraten wieder frei: Aus Mangel an Beweisen

Eine Woche nach der Festnahme von vier Piraterieverdächtigen vor der Küste Somalias hat die Bundeswehr die mutmaßlichen Seeräuber wieder freigelassen. Das teilte die Bundeswehr am Dienstag mit.

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Berlin - Eine Woche nach der Festnahme von vier Piraterieverdächtigen vor der Küste Somalias hat die Bundeswehr die mutmaßlichen Seeräuber wieder freigelassen. Das teilte die Bundeswehr am Dienstag mit.

Die Besatzung der Fregatte „Brandenburg“ hatte die Verdächtigen vergangene Woche festgenommen. Entsprechend der Übernahmevereinbarung zwischen der Europäischen Union und Kenia vom März sollten die kenianischen Behörden die Strafverfolgung aufnehmen. John Harbour, Sprecher des für die EU-Mission „Atalanta“ zuständigen Hauptquartiers der alliierten Seestreitkräfte im britischen Northwood, sagte dem Tagesspiegel, die Ermittlungen hätten nicht genug Indizien und Beweise erbracht, um eine Anklageerhebung zu rechtfertigen. Zwar seien bei der Festnahme Handgranaten und andere Waffen an Bord des Schiffes der Seeleute gefunden worden – „klar ist, dass die nicht auf Fischfang waren“, so Harbour –, aber die ermittelnde Staatsanwaltschaft sei dennoch zu der Überzeugung gelangt, dass es zu einer Verurteilung in Kenia nicht reichen werde. „Für dieses Mal mussten wir sie gehen lassen“, sagt Harbour, „aber sie wissen: Wenn wir sie nochmal aufgreifen, müssen sie mit einer Anklage rechnen.“

Harbour sagte, er sehe den Einsatz an sich durch die Entscheidung nicht infrage gestellt. Das oberste Ziel des ersten maritimen Einsatzes unter EU-Führung sei es, die Schiffe des Welternährungsprogamms (WEP) beim Transport in das krisengeschüttelte ostafrikanische Land Somalia zu schützen – das sei bisher „zu 100 Prozent gelungen“. Erst in zweiter Linie gehe es um den Kampf gegen die Piraterie.

Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, äußerte sein Unverständnis. Der neuerliche Rückzug trage nicht dazu bei, das Vertrauen in den Antipirateneinsatz zu stärken, sagte Kirsch. Es werde dringend ein internationales Gericht gebraucht, um die Seeräuber nach internationalem Recht aburteilen zu können. Derzeit sitzen rund 100 Somalier, die der Piraterie verdächtigt werden, im Gefängnis in Mombasa – zehn sitzen dort bereits ihre Strafe ab, andere stehen vor Gericht oder warten auf ihre Prozesse. Weitere Verdächtige warten in der halbautonomen somalischen Republik Puntland auf ihre Prozesse. Frankreich hat mit Puntland schon im vergangenen Jahr eine entsprechende Übernahmevereinbarung abgeschlossen. Zudem werden einige wenige Somalier in den USA, Frankreich oder den Niederlanden vor Gericht gestellt. Tatsächlich, sagt Roger Middleton vom britischen Think- Tank Chatham House, würden die meisten Verdächtigen jedoch gar nicht erst nach Kenia gebracht sondern küstennah freigelassen, wie jetzt die von den Deutschen festgehaltenen jungen Männer.

Die Bundeswehr ist an der „Atalanta“- Mission am Horn von Afrika mit bis zu 1400 Soldaten beteiligt. Deutschland ist der größte Truppensteller. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden seit Beginn der Operation am 8. Dezember 2008 von den EU-Einheiten 49 Schiffe des WFP mit insgesamt mehr als 280 000 Tonnen Hilfsgütern in 24 Gruppentransporten sicher in ihre Zielhäfen geleitet. Darüber hinaus seien bisher 205 Handelsschiffe sicher durch den Transit- Corridor im Golf von Aden geführt worden. Alle Handelsschiffe, die um Schutz und Begleitung gebeten hätten, seien sicher angekommen, in keinem einzigen Fall seien sie erfolgreich von Piraten gekapert worden: Insgesamt habe man 90 Angriffe abwehren können, und dabei etwa 80 mutmaßliche Piraten festgenommen.

Neben Deutschland beteiligen sich Griechenland, Frankreich, Spanien, Italien und Schweden an der Operation. Insgesamt sind elf Schiffe und drei Seefernaufklärer eingesetzt. Der deutsche Beitrag besteht aus den Fregatten „Brandenburg“ und „Rheinland-Pfalz“ sowie einem Seefernaufklärungsflugzeug P-3C Oorion. Zur Begründung des Einsatzes sagt Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU): „Mit dem Einsatz bei Atalanta hilft die Bundeswehr den etwa 1,6 Millionen hungernden Menschen in Somalia, schützt gleichzeitig aber auch unser vitales Interesse als Exportnation an der Sicherheit der Seewege.“ Im ersten halben Jahr 2009 gab es vor Somalia 86 Angriffe auf Schiffe, 31 wurden gekapert.

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