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Jaroslaw Kaczynski (r), Vorsitzender der PiS-Partei, und Mateusz Morawiecki, Ministerpräsident von Polen, freuen sich über ihren Wahlsieg.

© Wojtek RADWANSKI/AFP

PiS gewinnt die Wahl: Deutschland und die EU müssen auf Polen zugehen

Die nationalkonservative PiS siegt in Polen. Deswegen darf sie sich zwar nicht alles erlauben. Doch ein neuer Umgang in Europa ist nötig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Die Beziehungen zum Nachbarland Polen waren in den vergangenen vier Jahren nicht einfach. Nun könnten sie noch komplizierter werden. Es sei denn, beide Regierungen begreifen Polens Parlamentswahl als Zäsur, ziehen eine nüchterne Zwischenbilanz und richten ihren künftigen Umgang daran aus.

Die nationalkonservative Regierungspartei PiS hat ihren Stimmenanteil ausgebaut und ihre absolute Mehrheit im Parlament verteidigt. Ausschlaggebend waren die gute Wirtschaft und der Ausbau des Sozialstaats.

Wer in Berlin und in Brüssel darauf gehofft hatte, die PiS werde sich in den Augen der polnischen Wähler im Regierungsalltag entzaubern, muss eingestehen: Die Strategie des taktierenden Abwartens ist an ein Ende gekommen. Weitere vier Jahre, in denen Warschau die Beziehungen zur EU und zu Deutschland auf Eis legt und umgekehrt EU und Bundesregierung die sperrigen Machthaber in Polen auf Abstand halten, bringen Europa nicht voran.

Schlimmer noch: Eine beiderseitige Trotzreaktion beschwört ernsten Schaden herauf, weil sie die Handlungsmöglichkeiten der EU eng begrenzt in einer schicksalhaften internationalen Lage, in der die EU effektiver werden muss. Man möchte also hoffen, dass alle Seiten sich jetzt um Annäherung und Ausgleich bemühen.

Gewiss lässt sich nicht ausschließen, dass die PiS nun erst recht eine stolze Aufmüpfigkeit pflegt. „Ihr werdet es noch auf Jahre mit uns zu tun haben. Gewöhnt euch dran!“ Auch solche Töne konnte man seit Monaten von den Regierenden hören. Sie müssen aber nicht zur Handlungslinie werden.

Die PiS hat Konflikte zugespitzt – das muss aufhören

Der Wahlsieg und seine Höhe erlauben es der PiS, gelassener mit den Konflikten umzugehen. Ihr Machterhalt ist nicht bedroht. Sie steht weniger unter Druck, die Basis durch antideutsche Töne oder gar offizielle Reparationsforderungen zu mobilisieren. Sie muss nicht zur Rhetorik patriotischer Selbstverteidigung greifen, als lege es die EU darauf an, die nationalen Identitäten europäischer Gleichmacherei zu opfern.

Von den Verantwortlichen in Berlin und Brüssel darf man ohnehin eine Bereitschaft zur Moderation erwarten. Schon bisher waren nicht sie es gewesen, die die Konflikte gezielt zuspitzten.

Das hat die PiS getan, aus innenpolitischen Motiven. Freilich haben deutsche und europäische Meinungsführer Anlass, ihr Reden über Polen zu überprüfen. Nicht alles, was den Kritikern der PiS missfällt, oft aus guten Gründen, ist gleich ein Bruch europäischer Werte. Es steht jedem Land frei, weitere Kompetenzverschiebungen an die EU abzulehnen und in den Bereichen, die nicht vergemeinschaftet sind, auf nationale Eigenständigkeit zu pochen.

Keine Kompromisse in Kernfragen – aber auch keine pauschale Anklage

Selbstverständlich darf die EU keine Flexibilität zeigen, wenn Grundwerte, Demokratie, Rechtsstaat und die Freiheit der Medien bedroht sind. Allzu pauschale Anklagen dienen der Sache aber nicht.

Der Vorwurf, die PiS breche die ungeschriebene Werteverfassung der EU, muss schon konkret nachgewiesen werden. Es gibt keine exakte Vorgabe, wie eine von der Politik unabhängige Justiz im Detail zu organisieren ist. Zu denken gibt auch, dass der Einspruch der EU gegen Polens Justizreform sich am leichtesten am Pensionierungsalter für weibliche Richterinnen festmachen ließ. Da hat die Regierung dann prompt nachgebessert.

Es stimmt natürlich: Die PiS ist darauf aus, die Machtpositionen in der Justiz und im öffentlichen Rundfunk mit Parteigängern zu besetzen. Dieser Ansatz schadet dem Geist der Demokratie. Eine Regierungspartei sollte der Opposition nichts zumuten, was sie selbst nicht erleiden möchte, wenn sie in der Opposition wäre. Das rücksichtslose Ausnutzen der Machtmittel, um dem eigenen Lager bleibende Vorteile im demokratischen Wettbewerb zu verschaffen, vertieft die Spaltung der Gesellschaft. Klug ist das nicht.

Dennoch: Polens Souverän hat gesprochen. Die PiS hat eine Mehrheit. Deutschland und die EU sollten die Chance auf Annäherung testen. Ihre Druckmittel, etwa bei der Verteilung der Fördermittel, bleiben ja, falls der Erfolg ausbleibt.

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