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Pumas bei einer Übung: Die Schützenpanzer gelten als Paradebeispiel für teure und langwierige Spezialanfertigungen im Auftrag der Bundeswehr.

© picture alliance/dpa / dpa/Philipp Schulze

Einkauf von der Stange : Wie Pistorius das Beschaffungswesen der Bundeswehr revolutioniert

Interne Erlasse und neues Personal sollen das marode Beschaffungswesen der Bundeswehr beschleunigen. Marktverfügbares Gerät birgt aber auch Risiken.

Beispiele für „Goldrandlösungen“ oder eine „Germanisierung“ von Rüstungsprodukten, wie es im Verteidigungsministerium genannt wird, gibt es zuhauf. Der Schützenpanzer Puma gehört dazu, da viele Spezialanforderungen der Bundeswehr hier nicht nur zu einer langen Entwicklungsphase führten, sondern das Gerät auch besonders teuer und pannenanfällig machten.

Aktuell haben Sonderwünsche sogar dazu geführt, dass ein Projekt ganz an die Wand gefahren worden ist. Schon seit Jahren brauchen die Marinespezialkräfte neue Einsatzboote. Im Vergabeverfahren wurde jedoch eine derart hohe Maximalgeschwindigkeit verlangt, dass zwei infrage kommende deutsche Werften erst gar kein Angebot abgaben und eine finnische Firma, die es sich anfangs wohl zugetraut hatte, gerade doch die Segel streichen musste.

„Der Forderungskatalog“, sagt der Haushalts- und Verteidigungspolitiker Ingo Gädechens von der CDU, „war so umfangreich, dass er nach allen Regeln der technischen Kunst unmöglich in ein Bootsdesign umsetzbar war.“

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Marktverfügbarkeit als Maßstab

Wenn es nach Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) geht, sollen solche Horrorgeschichten über die Bundeswehr und ihr manchmal groteskes Beschaffungswesen bald nicht mehr zu hören sein. „Die Grundregel“, so hieß es in seinem Tagesbefehl an die Truppe vom Mittwoch, „ist ab sofort die Beschaffung marktverfügbarer Produkte, wann immer das möglich ist.“

Früher hatten wir viel Zeit und wenig Geld – jetzt ist es andersherum.

Boris Pistorius, Verteidigungsminister

Das richtet sich an alle Ebenen, insbesondere aber auch an das Beschaffungsamt der Bundeswehr in Koblenz und dessen neu von Pistorius bestellte Präsidentin Annette Lehnigk-Emden. Die bisherige Vizepräsidentin der Behörde sollte am Donnerstag in Berlin ihre Ernennungsurkunde überreicht bekommen.

Die internen Prozesse sollen so gestaltet werden, dass die militärischen Lücken der Bundeswehr auf dem Weg zurück zu einer voll ausgestatteten Armee für die Bündnis- und Landesverteidigung möglichst schnell gefüllt werden können. „Früher hatten wir viel Zeit und wenig Geld – jetzt ist es andersherum“, sagte Pistorius in Anspielung auf das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen bei der Vorstellung seiner Reform.

Eine Reform im eigentlichen Sinne ist es dabei gar nicht. Zwei Jahre hätte es gedauert, so sagen sie im Ministerium, um alle internen Regeln der Bundeswehr, die einem höheren Nachrüstungstempo im Wege stehen, zu durchforsten und zu verändern. Stattdessen setzten Carsten Breuer als Generalinspekteur der Bundeswehr und Rüstungsstaatssekretär Benedikt Zimmer im Auftrag von Pistorius am Mittwoch zwei interne Erlasse in Kraft, die die bisherigen Regeln ausstechen sollen.

Alle Entscheidungsträger werden darin nicht nur angewiesen, vorrangig sofort produzierbare Rüstungsgüter von der Stange zu bestellen; ihnen ist nun auch vorgegeben, im Zweifelsfall die schnellere Variante zu wählen.

Der Faktor Zeit hat höchste Priorität und ist mit sofortiger Wirkung als der wesensbestimmende Faktor aller laufenden und neuen Rüstungsvorhaben der Bundeswehr maßgebend.

Aus einem neuen Erlass für die Bundeswehr

„Der Faktor Zeit hat höchste Priorität und ist mit sofortiger Wirkung als der wesensbestimmende Faktor aller laufenden und neuen Rüstungsvorhaben der Bundeswehr maßgebend“, heißt es in Zimmers Erlass, der dem Tagesspiegel vorliegt. Maximal sechs Monate sollen die internen Vorarbeiten noch dauern dürfen: „Soweit bundeswehrinterne untergesetzliche Regelwerke die gesetzlichen Regelungen verschärfen, sind diese hiermit ausgesetzt.“

Forderungscontrolling statt Wunschzettel

Als Beispiel dafür wird der Radpanzer Boxer angeführt, für dessen drehbaren Waffenturm aufgrund einer „Maschinenverordnung“ eigens ein neuer Notabschaltknopf entwickelt werden musste. Ausnahmen, die in zahlreichen Gesetzen eigens für die Bundeswehr längst vorgesehen sind, sollen künftig konsequent genutzt werden.

Generalinspekteur Breuer wiederum weist die Inspekteure der Teilstreitkräfte an, über „stringentes Forderungscontrolling“ dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst zu ausufernden Spezialwünschen aus der Truppe kommt. Erst recht soll es „keine weiteren Veränderungen im laufenden Prozess“ geben, wie Pistorius betonte – damit Nachbesserungen aus dem marktverfügbaren Rüstungsgut nicht doch wieder eine langsame Spezialanfertigung machen.

Auf schnell verfügbare Produkte zu setzen, birgt freilich auch Risiken, wie die Entscheidung für amerikanische Kampfjets und Transporthubschrauber zeigt, die bereits Pistorius’ Vorgängerin Christine Lambrecht traf. Nicht nur, dass die hiesige Rüstungsindustrie klagt, so finde kaum Wertschöpfung in Deutschland statt.

Eine bereits heiß diskutierte Frage ist auch, ob man damit zu stark in eine Abhängigkeit von den USA kommt und das Ziel einer größeren strategischen Souveränität aufgibt – was angesichts einer möglichen Wiederwahl des Anti-Transatlantikers Donald Trump von Bedeutung ist.

Pistorius sagt in diesem Zusammenhang deutlich, dass das europäische Projekt FCAS („Future Combat Air System“), mit dem die Luftkämpfe der Zukunft geführt werden sollen, vom Erlass unberührt bleibt.

Generell wird in seinem Haus betont, dass auch weiter neue Rüstungsprojekte entwickelt werden und auch die deutschen Rüstungsfabrikanten weiter auf ihre Kosten kommen sollen – bei rund 1700 Beschaffungsprojekten pro Jahr.

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