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Pkw-Hersteller: Schongang oder Schocktherapie?

Im EU-Parlament ist die Höhe der Strafen für Pkw-Hersteller im Kampf gegen den Klimawandel umstritten.

Im Europaparlament bahnt sich eine Kontroverse über die Vorgaben für die Autoindustrie beim Klimaschutz an. Während Umweltpolitiker verbindliche Auflagen für alle Neuwagen in der EU ab 2012 fordern, setzen sich Industriepolitiker für eine Aufweichung der Vorschläge der EU-Kommission ein. Die EU-Behörde hatte im vergangenen Dezember vorgeschlagen, dass der durchschnittliche Kohlendioxid-Ausstoß bei Neuwagen ab 2012 von derzeit 160 auf 120 Gramm pro Kilometer gesenkt werden soll.

Dieses Ziel bekräftigte der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Guido Sacconi vergangene Woche, als er einen Berichtsentwurf über die CO2-Minderung bei Neuwagen vorlegte. Der italienische EU-Parlamentarier Sacconi ist Berichterstatter im Umweltausschuss des Europaparlaments und hat damit großen Einfluss auf die endgültige Festlegung der Auflagen, die auf Europas Autoindustrie ab 2012 zukommen.

Der CDU-Europaabgeordnete Werner Langen sieht in den Forderungen Sacconis allerdings eine übermäßige Belastung der Autoindustrie. So sei die Vorgabe, die neuen CO2-Grenzwerte ab 2012 für sämtliche in der EU zugelassenen Neuwagen greifen zu lassen, schlicht „unrealistisch“, kritisierte er. Der Unionspolitiker, der im Namen des Industrieausschusses im EU-Parlament eine Stellungnahme zu den CO2-Plänen erarbeitet hat, verlangt hingegen eine schrittweise Einführung der neuen Grenzwerte bis 2015 – wie sie auch die Autoindustrie wünscht. Das Ziel, die strengen Grenzwerte ab 2012 für alle Neuwagen gelten zu lassen, könne „kein europäischer Hersteller ohne Tricks erfüllen“, sagte Langen dem Tagesspiegel.

Zwar ist sich nach den Worten des CDU-Politikers das Europaparlament im Grundsatz einig, von den Herstellern größerer Wagen, wie sie vor allem in Deutschland produziert werden, auch mehr Anstrengungen beim Klimaschutz zu verlangen als etwa von französischen oder italienischen Autobauern. Umstritten ist dagegen die Höhe der Strafzahlungen, die Hersteller entrichten müssen, deren Pkw die neuen Grenzwerte nicht erreichen. Der sozialdemokratische Abgeordnete Sacconi schlägt eine Staffelung der Strafzahlungen vor, wie sie auch von der Kommission verlangt wird: Für jedes Gramm CO2, das zu viel in die Luft geblasen wird, sollen pro Auto 2012 zunächst 20 Euro fällig werden. Im Jahr 2015 sollen es dann 95 Euro sein. Langen schlägt hingegen vor, dass die Strafzahlungen in dem fraglichen Zeitraum nur von zehn auf 40 Euro ansteigen sollen.

Umweltschützer plädieren unterdessen für weit höhere Strafzahlungen. Um die Industrie zu wirksamen Schritten beim Klimaschutz zu bewegen, müsse man die Strafen bei 150 Euro pro Gramm festlegen, fordert etwa Aat Peterse vom Europäischen Verband für Verkehr und Umwelt in Brüssel. Auch Sacconis langfristiges Ziel bei der CO2-Minderung – durchschnittlich maximal 95 Gramm pro Kilometer ab 2020 – hält Peterse nicht für ausreichend: „Das Ziel für 2020 sollte bei 80 Gramm liegen.“

Das Europarlament will voraussichtlich im Oktober über die Auflagen für die Autoindustrie abstimmen. Bei einem Treffen Anfang des Monats in Berlin hätten Sacconi und Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) den gemeinsamen Wunsch geäußert, nach Möglichkeit rasch zu einer Lösung zu kommen, hieß es aus dem Büro des italienischen EU-Abgeordneten.

Die deutschen Pkw-Hersteller, die im EU-Vergleich beim Kohlendioxid-Ausstoß schlecht dastehen, dringen auf eine Lösung, die ihnen in den nächsten Jahren keine allzu kostspieligen Auflagen aufbürdet. Dabei vertrauen sie auf ihre Lobbyarbeit. Die deutschen Unternehmen überlassen die Interessenvertretung jedoch nicht allein den Verbänden. In der Straßburger Plenumswoche vergeht kein Tag, an dem nicht Repräsentanten der deutschen Autokonzerne für ihr Anliegen werben. Selbst die Vorstandsvorsitzenden waren sich für die Überzeugungsarbeit bei den Parlamentariern nicht zu schade. Dieter Zetsche (Daimler), Martin Winterkorn (VW), Norbert Reithofer (BMW) – sie alle hatten schon ihren Auftritt in Straßburg oder Brüssel.

Der Ton in der Diskussion um die Auflagen für die Autoindustrie ist dabei inzwischen weit von dem Furor entfernt, mit dem die fünf deutschen Autobosse von Daimler, BMW, VW, Opel und Ford noch im vergangenen Jahr einen Protestbrief an die EU-Kommission geschrieben hatten. Es geht jetzt vor allem darum, zwischen Politik und Industrie die Spielräume auszuloten und nüchtern nach konkreten und praktischen Lösungen zu suchen, mit denen alle leben können.

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