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Die PKW-Maut soll es ab Herbst 2020 geben.

© Christian Ohde, imago

Exklusiv

Pkw-Straßenzoll: Maut droht ein Minusgeschäft zu werden

Lohnt sich die Maut überhaupt? Ein Gutachten rechnet mit 155 Millionen Defizit im Jahr. Der EuGH entscheidet im Juni über die Klage Österreichs.

Die ab Herbst 2020 geplante Pkw-Maut in Deutschland könnte nach neuen Berechnungen zu einem Minusgeschäft werden. „Ein Defizit von 10 bis 155 Millionen Euro in den ersten Jahren der Einführung ist wahrscheinlich“, heißt es einem Gutachten des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) für die Grünen-Bundestagsfraktion, das dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt.

Der Grund liege vor allem in Änderungen an dem ursprünglichen Konzept. Es sei zu erwarten, dass die mehrfach angepassten Tarife für Kurzzeitvignetten zwar zu höheren Erlösen bei ausländischen Autos führen würden, die zusätzliche Entlastung von Euro 6 Pkw über die Kfz-Steuer werde die tatsächlichen Nettoeinnahmen aber verringern. Dies könne dann zu einem Defizit im laufenden Betrieb führen. Zudem müssten Effekte der Verkehrsverlagerung und volkswirtschaftliche Schäden durch weniger Grenzverkehr stärker einberechnet werden.

Das Bundesverkehrsministerium dagegen geht von einem Überschuss von knapp 500 Millionen Euro pro Jahr aus, díe dann für Investitionen in Verkehrswege zur Verfügung stehen sollen. „Es entsteht kein Defizit“, betonte eine Sprecherin von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Das Ministerium erwartet 846 Millionen Euro an Einnahmen durch ausländische Fahrzeuge - abzüglich rund 247 Euro Millionen an Systemkosten und weiteren 110 Millionen Euro für zusätzliche Steuerrabatte für umweltfreundlichere Euro 6-Fahrzeuge.

Die Pkw-Maut ist ein Prestigeprojekt der CSU. Sie soll auf Bundesstraßen und Autobahnen kassiert werden. Inländische Autofahrer sollen im Gegenzug für Mautzahlungen durch eine Senkung der Kfz-Steuer komplett entlastet werden.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird am 18. Juni sein abschließendes Urteil über die deutsche Pkw-Maut fällen - geklagt hatte Österreich, nachdem die EU-Kommission den Widerstand aufgegeben hatte. Österreich argumentiert, dass die sogenannte Infrastrukturabgabe ausländische Fahrer EU-Rechtswidrig diskriminiere, weil inländische Autobesitzer über die Kfz-Steuer voll entlastet werden. Das FÖS ist seit langem Kritiker der Maut, die Warnung vor einem Minusgeschäft teilen aber auch andere Experten.

Der Grünen-Verkehrsexperte Stephan Kühn und der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Sven-Christian Kindler, kritisierten, dass es auffällig sei, dass die Systemkosten und die steigenden Kosten der Euro 6-Entlastung durch das Bundesverkehrsministerium mit ständig neuen Zahlen zu den erwarteten Vignettenkäufen von Personen aus dem Ausland ausgeglichen würden. So sei das Ministerium 2015 von 8,1 Millionen Jahresvignetten und 15,8 Millionen 10-Tages-Vignetten ausgegangen (insgesamt 23,9 Mio.). Inzwischen rechne man dort mit 31,2 Millionen verkauften Vignetten - die Jahresvignette soll bis zu 130 Euro kosten. Die Vorbereitung der Maut kostete bisher rund 128 Millionen Euro. „Scheuer rechnet sich die Welt schön, dass es nur so kracht: Das Verkehrsministerium frisiert mit jeder neuen Prognose die Anzahl der Vignettenverkäufe“, kritisierten Kindler und Kühn. Umstritten ist zudem die Vergabe der Maut-Erhebung und Kontrolle an ein Konsortium aus dem Konzertticket-Verkäufer CTS Eventim und dem österreichischen Mautsystem-Betreiber Kapsch TrafficCom.

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