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Von guter Qualität, in Berlin allerdings auch hoch kalkhaltig: Leitungswasser.

© picture alliance / dpa

Plastikmüllvermeidung: Prostlose Aussichten

Um Verpackung zu sparen, soll die Bevölkerung nach dem Willen der Bundesumweltministerin vermehrt Leitungswasser trinken. Das ist hart. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Ariane Bemmer

In Berlin kann man die Kalkrückstände an häuslichen Küchen- und Badarmaturen wöchentlich mit dem Hammer abschlagen. Stalaktitenartig gerinnt, was vom Leitungswasser übrig bleibt, zu gräulichem Mörtel, der kleben bleibt. Wer das nicht glaubt, glaubt vielleicht wenigstens, dass der Kalkgehalt des hiesigen Leitungswassers extrem hoch ist, man nennt das „hart“.

Teetrinker mit Anspruch und edlem Geschirr, also nicht die Teebeutel-in-Töpferware-Hänger, kochen ihren Darjeeling deswegen nur höchst ungern mit Berliner Leitungswasser. Die Härte versaut den Genuss. Teetrinker mit Anspruch kaufen ihr Wasser in Plastikflaschen, gern französischer Herkunft, kippen das in den Kocher (der dank dieser Spezialbefüllung auch nicht dauernd entkalkt werden muss) und genießen ihr Heißgetränk mit weichem Wasser, ganz unverkalkt.

Die Kritik vieler Umweltschützer ist ihnen dafür gewiss. Die schwören auf Leitungswasser – und wollen auch andere darauf einschwören. Denn das gibt es völlig verpackungsfrei, Hahn umlegen, Prost, eine Selbsttränke für Menschen. Was sich da an Verpackung sparen lässt!

Und dann waren da noch die Meldung über Nitrate im Grundwasser

So sieht es auch SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze und nennt die „Förderung des Leitungswassertrinkens“ an erster Stelle in ihrem Fünf-Punkte-PlanNein zur Wegwerfgesellschaft“. Im Vorwort steht, sie wolle zur Plastikmüllvermeidung „Hersteller, Händler und nicht zuletzt uns alle als Verbraucherinnen und Verbraucher in die Pflicht nehmen“. „Nicht zuletzt“ heißt in diesem Fall „zuerst“, sofern die Punktereihenfolge eine Rangordnung sein soll.

Nicht nur das ruft Kritiker auf den Plan, die entgegen der Müllvermeidungszielsetzung diese Förderungsforderung am liebsten sofort wegwerfen würden. Entweder arbeiten die alle in der Mineralwasserindustrie, oder vielleicht haben sie es generell nicht so gern, wenn ihnen aus den obersten Etagen von Ministerien, die – nicht zu vergessen – für vieles, was sich hierzulande zum Problem entwickelt, Verantwortung mittragen, gesagt wird, wie sie konsumieren sollen, um die nicht verhinderten Folgen der ministeriellen Arbeit zu verringern.

Und dann waren da doch auch noch die Meldungen über Nitrat im Grundwasser, über wachsende Mengen an Medikamentenrückständen, über antibiotikaresistente Mikroorganismen und fehlende systematische Untersuchungen dazu. Und der Gedanke sprudelt, die entkalkte Leitungswasserlobby habe wohl einen im Tee.

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