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Politik: Platz für die Natur

Trittin will ein neues Hochwasserschutzgesetz – in Überschwemmungsgebieten könnte es bald strenge Regeln für den Hausbau geben

Vor einem Jahr sind hier an der Havel Deiche gesprengt worden, um Platz für die Elbefluten zu schaffen. Aber nun muss der Fischer Schröder aus Strodehne aufpassen, dass er seinen Kahn nicht auf eine Sandbank in der Havel steuert. Der Fluss hat gerade mal einen Wasserstand von 97 Zentimetern. Vor einem Jahr waren es mehr als vier Meter. An Bord hat der Fischer Umweltminister Jürgen Trittin, der erfahren will, warum der Bund die Renaturierung der Unteren Havel mit „einem zweistelligen Millionen-Euro-Betrag“ fördern soll. Der Fischer klagt nicht, obwohl er schon im zweiten Jahr kaum etwas gefangen hat.

Eine Renaturierung des Flusses könnte die Lebensbedingungen für die Fische und damit auch für die Fischer verbessern, sagt Rocco Buchta. Er ist Leiter des Naturparks Westhavelland und liefert Trittin die Argumente für einen Rückbau des Flusses. Die Erhaltung von Flussauen und die Wiedergewinnung von Überschwemmungsgebieten ist eine Lehre, die die Politik aus der großen Flut gezogen hat. Die andere ist das Hochwasserschutzgesetz, das Trittin am Donnerstag in Dresden vorstellte. Der wichtigste Punkt: Künftig dürfen in Überschwemmungsgebieten keine neuen Bau- oder Gewerbegebiete mehr ausgewiesen werden. Das ist zwar im Prinzip schon seit den siebziger Jahren so. Aber was ein Überschwemmungsgebiet ist, ist umstritten. Außerdem haben viele Gemeinden die Möglichkeit, Ausnahmegenehmigungen zu erlassen, zur Regel gemacht.

Jetzt müssen die Länder innerhalb von drei Jahren die Flächen ausweisen, die beim schwersten Hochwasser der vergangenen hundert Jahre unter Wasser standen. Diese Gebiete gelten künftig als Überschwemmungsgebiet. Gebiete in Flussnähe, die beim schwersten Hochwasser der letzten 200 Jahre überschwemmt waren, gelten künftig als „überschwemmungsgefährdet“. Wer dort ein Haus oder einen Betrieb baut, muss Hochwasser mitbedenken. Beispielsweise muss ein wertvolles Rechenzentrum unters Dach gebaut werden. „Dasselbe gilt für eine Ölheizung“, sagte Trittin. Dies wird auch Folgen für die Versicherungen haben. Wer jetzt dort baut, wird höhere Prämien bezahlen müssen. Auch die Bauern müssen sich umstellen. Denn künftig darf in Überschwemmungsgebieten grundsätzlich kein Ackerbau mehr betrieben werden. Mais ist ab sofort tabu.

Dass Elbe, Donau und Saale nun doch nicht ausgebaut werden, hatten SPD und Grüne bereits im Koalitionsvertrag vereinbart. Trittin stellte in Magdeburg auf dem Domfelsen fest, dass dies Konflikte bedeutet. Wäre es nach den Binnenschiffern gegangen, hätte dieser Fels in der Elbe am Fuß des Magdeburger Doms gesprengt werden sollen. Doch nun bleibt er erhalten. Mit ihren Hupen sagen die Kapitäne Trittin, was sie davon halten.

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