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Platzeck-Rücktritt: Abgang stürzt SPD in neue Krise

SPD, was nun? Die Halbwertszeiten der Chefs werden immer kürzer, Kurt Beck mag sich niemand als Kanzlerkandidat 2009 vorstellen. Alternativen sind aber auch nicht in Sicht.

Berlin - Die Übergabe verlief mit viel Routine. Nur am Anfang des Auftritts von Matthias Platzeck und Kurt Beck kamen am Montagmittag im Willy-Brandt-Haus einige Emotionen hoch. Die Schockstarre, in die der abrupte Abgang eines Vorsitzenden die Sozialdemokraten wieder einmal stürzte, löste sich trotz vieler bitterer Erfahrungen in jüngster Zeit nur langsam. Immerhin wird es bei den Sozialdemokraten inzwischen zur Gewohnheit, ihren jeweiligen Vormann schon nach überschaubarer Zeit zu verabschieden. Die Halbwertzeiten dabei werden nur immer kürzer.

Die Gründe für den abrupten Abgang Platzecks nach ganzen 146 Tagen auf dem SPD-Schleudersitz waren zwar etwas anders gelagert als bei seinen Vorgängern. Er wurde nicht wie Franz Müntefering schon nach einem Jahr von der eigenen Führungsriege aus dem Amt katapultiert. Oder wie Rudolf Scharping putschartig auf einem Parteitag einfach gegen einen anderen ausgetauscht. Schon 15 Jahre ist es her, dass mit Hans-Jochen Vogel zuletzt ein SPD-Chef ohne interne Querelen ganz freiwillig die «Zinne der Partei» (Willy Brandt) räumte.

Der körperliche Verschleiß, den politische Spitzenämter zur Folge haben, gab bei Platzeck den Ausschlag. Er habe seine Kräfte einfach überschätzt, jetzt müsse er einen «Strich ziehen», begründete der 52- Jährige, kurz mit den Tränen kämpfend, die bisher «schwierigste Entscheidung» seines Lebens. Keinen Sinn habe es gemacht, gegen ärztlichen Rat «weiter gegen die Wand zu laufen».

Freimütig gab er über seine Krankenakte aus den letzten Monaten Auskunft: Zu Neujahr ein erster Hörsturz. Mitte Februar dann ein Nerven- und Kreislaufzusammenbruch, der von der SPD-Zentrale auch gegenüber Spitzenparteifreunden in eine schwere Virusgrippe umgedeutet wurde. Dann die Einlieferung ins Krankenhaus vor zwei Wochen mit dem zweiten Hörsturz. Als «absoluter Blödsinn» wurden auch diesmal von SPD-Sprechern Spekulationen über eine ernste Erkrankung dementiert.

Erst am Sonntagabend wurde deshalb auch den meisten Spitzenleuten der tatsächliche Ernst der Lage bewusst. Einige fielen aus allen Wolken, als Platzeck beim Treffen mit seinen Stellvertretern und SPD- Ministern im Willy-Brandt-Haus seine endgültigen Rücktrittspläne mitteilte. Angesichts der gesundheitlichen Faktenlage gab es aber keine Versuche, ihn noch umzustimmen. «So schwer es auch fällt, wir mussten das einfach akzeptieren», hieß es hinterher bei Teilnehmern.

Mangelns anderer überzeugender Alternativen war sich die Runde rasch einig, dass nur Kurt Beck als Nachfolger in Frage kommt. Der von Platzeck schon Anfang vergangener Woche erstmals über Rücktrittabsichten informierte Mainzer Regierungschef konnte sich daher schon konkrete Gedanken machen, wie er sich künftig die Zeit zwischen Berlin und Mainz einteilen will. Um Handlungsfähigkeit zu demonstrieren, präsentierte Beck am Montag auch gleich sein Personaltableau, das zumindest vorerst weiter auf Platzecks gerade mal eingearbeitete Mannschaft setzt.

Ob der Versuch, auch diesmal die SPD-Führungsfrage im Schnelldurchgang zu lösen, tatsächlich gelingt, steht allerdings noch in den Sternen. Einiges spricht dafür, dass der ohnehin verunsicherten Partei wieder einmal krisenhaften Wochen und Monate bevorstehen. «Auf uns alle kommen schwierige Zeiten zu», schwant etwa SPD-Fraktionschef Peter Struck nicht nur im Blick auf die Arbeit in der Berliner Koalition.

Ob es Beck mit seiner präsidial-landesväterlichen Art richtig gelingen wird, der Partei wieder verlorene politische Orientierung zu geben, daran gibt es viele Zweifel in der SPD. Viele können sich den neuen Vorsitzenden auch nicht so recht in Platzecks Rolle als natürlichen nächsten SPD-Kanzlerkandidaten für 2009 vorstellen. (tso/dpa)

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