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Politik: Platzt auch der dritte Terrorprozess?

Das Berliner Kammergericht erwägt, das Verfahren gegen verdächtigen Tunesier teilweise einzustellen

Von Frank Jansen

Berlin – Der Bundesanwaltschaft droht wieder ein Rückschlag in einem Terrorprozess. Nach Informationen des Tagesspiegels hat das Berliner Kammergericht am Rande der Hauptverhandlung gegen den Tunesier Ihsan G. vorgeschlagen, das Verfahren teilweise einzustellen. Die von der Bundesanwaltschaft erhobene Anklage wegen versuchter Gründung einer terroristischen Vereinigung wäre dann hinfällig. Den Vorschlag unterbreiteten die Richter des 1. Strafsenats am Mittwoch bei einem Treffen der Prozessparteien im Gebäude des Gerichts. An dem Gespräch nahmen die Staatsanwältinnen Silke Ritzert und Angelika Möhlig sowie Verteidigerin Margarete von Galen und Anwalt Michael Rosenthal teil. Die Bundesanwaltschaft sagte eine Antwort innerhalb von zehn Tagen zu.

Laut Anklage hat Ihsan G. auf Anweisung von Al Qaida geplant, zu Beginn des Irakkrieges im März 2003 Anschläge in Deutschland zu verüben. Am 20. März, dem ersten Tag des Krieges, nahm die Polizei Ihsan G. in Berlin fest. Die Bundesanwaltschaft begründet den Anklagevorwurf in wesentlichen Teilen mit Aussagen zweier „Vertrauenspersonen“ der Berliner Polizei. „VP 1“ und „VP 2“ haben Ihsan G. belastet, dürfen jedoch auf Anordnung der Senatsverwaltung für Inneres im Prozess nicht erscheinen. Die Polizei befürchtet eine Enttarnung der V-Männer.

Das Kammergericht hat allerdings den V-Mann-Führer und einen Staatsanwalt, der die V- Leute vernommen hatte, als Zeugen befragt. Die Aussagen des Staatsanwalts und des Kriminalbeamten zu den in der Anklage aufgeführten Angaben der V-Männer waren jedoch widersprüchlich und eher dünn. Bei den zunehmend bohrenden Fragen der Richter waren die Zweifel an der Glaubwürdigkeit der V-Leute nicht zu überhören. Der Strafsenat hat nun offenkundig die Teil-Einstellung des Verfahrens angeregt, da sich nicht absehen lässt, ob die V-Männer zumindest schriftlich befragt werden können – und was dabei herauskäme.

Die Bundesanwaltschaft wollte sich am Freitag zur Sache nicht äußern. Auf die Frage nach dem Treffen der Prozessparteien im Kammergericht hieß es, „interne Rechtsgespräche kommentieren wir nicht“. Der Anwalt von Ihsan G. zeigte sich optimistisch: Die Beweisaufnahme in dem seit Mai laufenden Prozess sei für die Anklage „unglücklicher verlaufen, als die Verteidigung erhofft hat“, so Rosenthal.

Ihsan G. kann allerdings nicht erwarten, straflos aus dem Prozess herauszukommen. Der Tunesier hat den illegalen Besitz einer Waffe und eines gefälschten Passes zugegeben. Außerdem wirft ihm die Bundesanwaltschaft vor, er habe bei dubiosen Goldgeschäften in Berlin Steuern hinterzogen – in Höhe von mehr als 400 000 Mark (rund 200 000 Euro).

Sollte das Verfahren bezüglich des Terrorvorwurfs eingestellt werden, wäre dies der dritte Prozess gegen mutmaßlich militante Islamisten, in dem die Bundesanwaltschaft in die Defensive gerät. Im Februar sprach das Hamburger Oberlandesgericht den Marokkaner Abdelghani Mzoudi vom Vorwurf der Beihilfe zu den Anschlägen des 11. September 2001 frei. Im März hob der Bundesgerichtshof das Urteil (15 Jahre Haft) des Hamburger Gerichts gegen den Marokkaner Mounir al Motassadeq auf. Ihm wirft die Bundesanwaltschaft fast die gleichen Delikte vor wie Mzoudi.

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