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Alexej Nawalny, Russland prominentester Oppositionspolitiker

© Pavel Golovkin/AP/dpa

Update

Inhaftierter Kreml-Kritiker: Nawalny schließt Vergiftung im Gefängnis nicht aus

Der in Haft sitzende russische Oppositionspolitiker Nawalny wird plötzlich krank und muss behandelt werden. Die offizielle Begründung dafür weist er zurück.

Der vorübergehend in ein Krankenhaus eingelieferte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny schließt nicht aus, im Gefängnis vergiftet worden zu sein. Dafür könnte sich jemand während seiner Abwesenheit in seine Zelle geschlichen haben, schrieb Nawalny am Montag in seinem Blog. Zuvor hatte bereits Nawalnys Anwältin erklärt, ihr Mandant sei mit einer "unbekannten chemischen Substanz" in Berührung gekommen. Der 43-Jährige wurde nach Angaben seiner Ärztin inzwischen wieder ins Gefängnis gebracht.

Nawalny wies die zunächst von den Behörden vorgebrachte Erklärung zurück, er sei am Sonntag wegen einer "schweren allergischen Reaktion" behandelt worden: "Ich hatte nie eine Allergie." Demnach hätten ihn zuerst Mithäftlinge auf seinen roten Hals aufmerksam gemacht. Eine Stunde später habe er bereits ein Brennen im Gesicht gespürt.

Während der Nacht sei er vor Schmerzen aufgewacht und habe erstmals ein eine mögliche Vergiftung gedacht, schrieb Nawalny weiter. Im Krankenhaus hätten sich die Ärzte verhalten, "als ob sie etwas verbergen müssten". Die Gefängniswächter vermutet Nawalny jedoch nicht hinter dem Vorfall, da diese "noch schockierter" als er über sein Aussehen gewesen seien.

Der Kreml-Kritiker war am Sonntag aus dem Gefängnis in ein Krankenhaus verlegt worden. Nawalnys Ärztin Anastasia Wassiliewa hatte den Verdacht einer Vergiftung bereits am Sonntagabend auf Facebook geäußert. Sie forderte eine Untersuchung der Bettwäsche in seiner Gefängniszelle. In diese sei der 43-Jährige mittlerweile wieder gebracht worden, obwohl er noch nicht wieder "völlig hergestellt" sei.

Der Oppositionspolitiker war am Mittwoch zu 30 Tagen Haft verurteilt worden, weil er zu einem nicht genehmigten Protest am Wochenende aufgerufen hatte. Nawalny ist einer der prominentesten Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Demonstrationen organisiert, was ihm immer wieder kurze Haftstrafen einbrachte.

Am Montag bekam Wassiliewa nach eigenen Angaben die Erlaubnis, Nawalny zu untersuchen. Die Augenärztin hatte den Oppositionspolitiker bereits 2017 behandelt, als er nach einem Angriff beinahe die Sehkraft auf einem Auge verlor. Sie warf den Ärzten in dem Moskauer Krankenhaus bei Facebook vor, die Ursache von Nawalnys Symptomen nicht untersuchen zu wollen.

Ein Sprecher des Krankenhauses sagte der Nachrichtenagentur AFP, Nawalny sei in einem "zufriedenstellenden Zustand". Seine Körpertemperatur liege bei 36,6 Grad. Zur Diagnose der Ärzte wollte sich der Sprecher nicht äußern.

Bundesregierung fordert Freilassung inhaftierter Demonstranten

Am Samstag waren nach Angaben der russischen Nichtregierungsorganisation OWD-Info rund 1400 oppositionelle Demonstranten auf einer nicht genehmigten Kundgebung für freie Kommunalwahlen in Moskau festgenommen worden. Rund 3500 Menschen hatten laut offiziellen Angaben gegen den Ausschluss zahlreicher Oppositionskandidaten von der für September geplanten Kommunalwahl in Moskau demonstriert. Für kommenden Samstag rief die Opposition zu erneuten Protesten auf.

Die Bundesregierung forderte am Montag die rasche Freilassung der inhaftierten Demonstranten. Vizeregierungssprecherin Ulrike Demmer rief zudem die russische Regierung "zur Einhaltung der Prinzipien von OSZE und Europarat" auf, was demokratische Grundsätze wie die Meinungsfreiheit betreffe. Zuvor hatten bereits die EU und die USA den Polizeieinsatz in Moskau als unverhältnismäßig verurteilt.

Auch Frankreich hat von Russland die rasche Freilassung von festgenommen Moskauer Demonstranten und Nawalny gefordert. Der Gesundheitszustand Nawalnys habe sich sprunghaft verschlechtert, teilte eine Sprecherin des Außenministeriums in Paris am Montagabend mit. Frankreich zeigte sich angesichts der jüngsten Entwicklungen sehr besorgt.

Im vergangenen September war bereits der russische Pussy-Riot-Aktivist Pjotr Wersilow mit möglichen Symptomen einer Vergiftung in ein Moskauer Krankenhaus gebracht worden. Der damals 30-jährige Politaktivist machte den russischen Geheimdienst für seine Erkrankung verantwortlich. Als Hintergrund für die Attacke geht Wersilow von einem Zusammenhang mit seinen Recherchen über drei ermordete russische Journalisten in Zentralafrika aus. (dpa, AFP, Tsp)

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