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Bitte, nach Ihnen. Polens Premier Tusk lässt Deutschland gerne den Vortritt beim Atomausstieg.

© AFP

Polen: Der Ausstieg der andern

Polen steigt erst ein in die Atomkraft – und hofft auf Chancen in Deutschland.

„Wenn ein Land keine Atommeiler bauen will, dann ist das sein Problem“, kommentierte Polens Regierungschef Donald Tusk den deutschen Entscheid eines Atomausstiegs. Polen jedenfalls werde an seinem Atomprogramm festhalten, unterstrich Tusk. „Wir sind überzeugt, dass die Atomkraft eine gute Alternative zu andern Energiequellen darstellt“, erklärte der liberale Regierungschef. Weniger als 50 Kilometer nordwestlich seines Privatdomizils bei Danzig soll bis 2020 Polens erstes Kernkraftwerk in Betrieb genommen werden. Bis 2030 soll laut Regierungsplänen ein zweites Akw in Zentralpolen dazu kommen. Auf die dahingehenden Beschlüsse seiner Regierung habe die deutsche Entscheidung „überhaupt keinen Einfluss“, sagte Tusk.

Doch Polens wirtschaftsliberale Regierung konnte dem deutschen Ausstiegsentscheid durchaus etwas Positives abgewinnen. Der Atomausstieg bedeute eine neue Chance für die polnische Kohleindustrie, freut sich Tusk. Weder Windenergie noch Erdgas könnten die Energielücke in Deutschland schließen. Der Ausstiegsentscheid sei damit ein Signal für eine Wiederaufnahme der Kohledebatte. Noch erzeugt Polen 95 Prozent seiner Elektrizität mit den wegen ihres hohen Kohlendioxid-Ausstoßes besonders umstrittenen Kohlekraftwerken. Wegen der EU-Klimaziele befindet sich die Kohleindustrie in einer Krise.

In der polnischen Öffentlichkeit wurde der Berliner Ausstiegsentscheid praktisch nicht diskutiert. Die polnische Akw-Debatte war nach Fukushima und um den 25. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl kurz aufgeflammt, danach aber sofort wieder eingeschlafen. Auf dem Höhepunkt der polnischen Auseinandersetzungen demonstrierten gerade einmal 20 Akw-Gegner in Danzig. Eine Zeit lang versuchte die rechtskonservative Opposition sich des Themas anzunehmen. Doch da Oppositionschef Jaroslaw Kaczynski eine Atomkraftbefürworter ist, lässt sich das Thema Atomkraft schlecht glaubwürdig ausschlachten.

Einzig Wirtschaftsminister Waldemar Pawlak von der kleinen Koalitionspartei PSL schlug vor, den geplanten Einstieg Polens in die Atomkraft zu überdenken. „Das Unglück im japanischen Fukushima hat die Frage nach der Sicherheit aufgeworfen, und nun sind es unsere direkten Nachbarn, die eine Entscheidung getroffen haben“, kommentierte Pawlak die deutsche Entscheidung, aus der Atomkraft auszusteigen.

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