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Ein polnischer Kampfjet.

© REUTERS/Kacper Pempel

Polen gibt der Ukraine Kampfjets: Die Gewichte in EU und Nato verschieben sich nach Osten

Deutschland bleibt der wichtigste Partner der USA in Europa. Es muss aber verinnerlichen, dass die Verbündeten Mitsprache verlangen – und Joe Bidens Ohr haben.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Polens Entscheidung, als erstes Nato-Land Kampfjets an die Ukraine zu liefern, ist bedeutsam – freilich nicht militärisch, sondern politisch. Die Übergabe von vier MiGs wird keine Kriegswende bringen. Aber sie zeigt exemplarisch, wie sich die Lagebeurteilung und die Machtgewichte in den vergangenen zwölf Monaten verschoben haben.

Die Furcht vor der angeblich so mächtigen russischen Militärmaschine hat nachgelassen. Und die östlichen Mitglieder in EU und Nato beanspruchen mehr Einfluss und Mitsprache. Ganz voran Polen. Die nationalkonservative Regierung in Waschau bemüht sich, Deutschland den Platz als wichtigster Verbündeter der USA in Europa streitig zu machen.

Polen wollte bereits im März 2022 MiGs an die Ukraine liefern – an der Spitze einer Koalition östlicher Nato-Partner, die bis zu 70 Kampfjets abgeben wollten, um den russischen Vorstoß auf Kiew aufzuhalten. Warschau verlangte jedoch US-Rückendeckung aus Sorge, dass Russland dann Polen zur Kriegspartei erklären würde. Ähnlich wie Kanzler Olaf Scholz noch kürzlich bei der Panzer-Entscheidung. Doch Präsident Joe Biden gab Polen das Okay für Kampfjets 2022 nicht – zur Erleichterung der Bundesregierung.

Wenn Polen heute bereit ist, MiGs im Alleingang zu liefern, heißt das: Die Angst vor Putins Streitkräften ist nach deren Misserfolgen nicht mehr so groß wie zu Beginn des Kriegs. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz hatte Polen dafür geworben, dass mehrere Nato-Staaten der Ukraine Kampfjets liefern und ihre Piloten auch an westlichen Modellen ausbilden – aber eine solche Koalition zur Bedingung für die Abgabe polnischer Jets gemacht.

Auch diese Hürde ist nun gefallen. Darin zeigt sich ein neues Selbstbewusstsein Polens. Und der Anspruch, eine größere Rolle im Bündnis zu spielen. Nicht an der Seite Deutschlands, sondern im Schulterschluss mit den USA. Was darauf hindeutet, dass die diesmal kein Veto gegen die MiG-Lieferung eingelegt haben.

Polens Ehrgeiz, Deutschland als Land abzulösen, auf dass die USA ihre Europapolitik ausrichten, wird sich nicht erfüllen. Dazu reicht Warschaus Gewicht weder ökonomisch noch politisch.

Deutschland muss aber stärker verinnerlichen, dass sich die Kräfteverteilung in EU und Nato durch die Öffnung nach Osten verschoben hat. Sie war nicht nur eine nette Geste. Sie hat Folgen.

Mit Blick auf die militärische Unterstützung der Ukraine wollen die östlichen Nachbarn mehr tun als Berlin. Und sind da wohl im Einklang mit den USA – solange deren Präsident Joe Biden heißt.

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