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© AFP

Polen: Im Osten was Neues

Polen verlangt eine Vertiefung der Beziehungen zu den Staaten östlich der EU – aber Brüssel ist skeptisch.

Brüssel stöhnt wieder einmal über die Polen. Mit einigem Grausen erinnert man sich noch an den ehemaligen Premier Jaroslaw Kaczynski, der sich zwei Jahre lang vor allem als notorischer Nörgler und Blockierer hervortat. Nun sorgt der neue Regierungschef Donald Tusk für Unruhe – allerdings konstruktiver Art. Nach seinem Willen soll in der Europäischen Union eine Osteuropa-Partnerschaft entstehen.

Polens Außenminister Radoslaw Sikorski skizzierte soeben in Brüssel beim Treffen mit seinen europäischen Kollegen erstmals offiziell die noch etwas konturenlose Idee. Es wird erwogen, die Vergabe von Visa für die Ostländer zu erleichtern. Auch soll es verstärkte Kooperation beim Umweltschutz und engere Handelsbeziehungen geben. Langfristig, so die polnische Vorstellung, soll der Ukraine, Moldawien, Georgien, Aserbaidschan, Armenien und Weißrussland Hilfe geleistet werden, damit die Länder eines Tages in die EU aufgenommen werden können. So wies Polens Außenminister Sikorski in Brüssel auf einen feinen Unterschied hin: Die südlichen Mittelmeeranrainer, die Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy mit seiner Mittelmeerunion umgarnt, seien lediglich „Nachbarn“ der Europäischen Union. Dagegen hätten die „europäischen Nachbarn“ im Osten das Recht, sich zu gegebener Zeit um eine Mitgliedschaft in der EU zu bewerben.

Angesichts der Liste potenzieller Beitrittskandidaten stockte den europäischen Diplomaten allerdings der Atem, ist man in Brüssel nach dem großen Sprung von 2004 doch übereingekommen, in absehbarer Zukunft Erweiterungen der Union nur noch in homöopathischen Größenordnungen vorzunehmen. Aus diesem Grund wurde der Vorschlag zu einer neuen Osteuropa-Partnerschaft allenfalls interessiert-freundlich-reserviert aufgenommen. Aber immerhin hat sich Polen in Europa als Ideengeber zurückgemeldet.

Dem politischen Selbstbewusstsein Warschaus entspricht es nicht, einer unter vielen zu sein, man versteht sich als Nation mit Führungsanspruch. Aus diesem Grund ist es nur folgerichtig, dass auf die französische Initiative einer Mittelmeerunion nun der polnische Gegenvorschlag kommt. Frankreichs Präsident Sarkozy will am 13. Juli bei einem Gipfel in Paris die Mittelmeerunion aus der Taufe heben. Zunächst hatte Sarkozy eine eigenständige Struktur für die Mittelmeerunion geplant. Auf Druck von Bundeskanzlerin Angela Merkel wird der künftige Verbund der Mittelmeerstaaten nun in den sogenannten Barcelona-Prozess der EU eingebunden.

Natürlich plant Polen mit der Initiative nicht die überstürzte Aufnahme neuer Mitglieder in die EU. Warschau zielt vorerst vor allem auf die Stabilisierung der Zustände bei seinen großen, direkten Nachbarn im Osten. Weißrussland leidet unter der autokratischen Herrschaft Aleksander Lukaschenkos, und die Ukraine taumelt von einer politischen Krise in die nächste. Allerdings hat die Führungsriege in der Ukraine bereits klargemacht, dass für sie nur ein Ziel zählt: Die Vollmitgliedschaft in der EU.

Bisher war in Warschau immer wieder bemängelt worden, dass die Politiker in Brüssel kaum auf den reichen Erfahrungsschatz Polens im Umgang mit diesen Ländern zurückgreifen. Als sich etwa die Orangene Revolution in Kiew abzeichnete, waren es die Polen, die die Ukraine auf dem Weg in Richtung Demokratie mit Rat und Tat unterstützen – lange bevor der Rest Europas diese einmalige Chance erkannt hatte.

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