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Politik: Polen in Spanien: Handverlesen in den Süden

Monika will mit Erdbeeren ihr Glück machen. Die 24-jährige polnische Angestellte hat ihren Job am Bankschalter in der Heimat mit einer Erdbeerplantage in Südspanien getauscht.

Monika will mit Erdbeeren ihr Glück machen. Die 24-jährige polnische Angestellte hat ihren Job am Bankschalter in der Heimat mit einer Erdbeerplantage in Südspanien getauscht. Wenigstens vorübergehend, um sich das Geld für ihr Wirtschaftsstudium zusammenzusparen. Knochenharte Feldarbeit in Spanien wird mit knapp 30 Euro pro Tag besser bezahlt als ein mittelmäßiger Bürojob im EU-Beitrittsland Polen - "wenn es dort überhaupt Arbeit gibt". Indiz für die polnische Wanderbewegung, die sich mit Polens EU-Aufnahme noch verstärken dürfte.

In Spanien verbucht die Statistik zwar eine Arbeitslosenquote von rund zehn Prozent, aber die Obst- und Gemüsebauern Spaniens müssen jährlich tausende Tonnen ihrer Erträge einstampfen, weil sie nicht genügend Erntehelfer finden. Da kommt die job- und geldsuchende Arbeiterarmee aus dem Osten gerade recht. Rund 5000 Polen, fast alles Frauen, rackern in diesen Monaten auf den Erdbeerplantagen Huelvas nahe am Atlantik und der portugiesischen Grenze. Ein Experiment, das die spanischen Arbeitgeber bei Erfolg ausweiten wollen.

Noch bis Juni will Monika in Huelva, auf den größten Erdbeerfeldern Europas, täglich bis zu 40 Holzkisten mit den roten Früchten füllen. Sieben Stunden pro Tag, für Europas hungrige Verbraucher. Denn Monikas Erdbeeren landen auf den Märkten der nordwärts liegenden Länder wie etwa Frankreich, Belgien, Deutschland, Österreich oder der Schweiz.

Die andalusischen Großbauern sind mit dem neuen Ernteheer zufrieden: "Sie sind sehr fleißig und sehr verantwortungsvoll", meint ein iberischer Unternehmer, der 300 Polinnen auf seine Plantagen "importierte". Handverlesen aus tausenden Kandidatinnen, die teilweise unter Tränen baten, nach Spanien zu dürfen. Alle haben einen Zeitvertrag in der Tasche und bekamen die Hinfahrt in den Süden bezahlt.

Gewerkschaften warfen einigen Erdbeer-Finca-Besitzern vor, Gastarbeiter wie Sklaven zu behandeln: Löhne seien nicht gezahlt worden, die Erdbeerpflücker mussten die Nächte zusammengepfercht in dreckigen und fensterlosen Metallcontainern verbringen. Ohne fließendes Wasser, Strom und Toiletten. "Sie mussten wie Tiere leben." Die meisten Betriebe, so heißt es, verhielten sich jedoch korrekt.

Dass Spanien bei Erteilung der Einreise-Erlaubnis nicht auf ein Rückfahrt-Ticket Richtung Polen bestand, signalisiert Wohlwollen gegenüber polnischen Zeitarbeitern, von denen viele nach Ende der Ernte in Spanien bleiben werden. Die polnische Gemeinde wächst, mehr als 10 000 Polen leben bereits legal unter der Sonne, wenigstens genausoviel ohne Aufenthaltspapiere. Spaniens konservativer Ministerpräsident José Maria Aznar stieß bei seinem letzten Besuch in Warschau die Tür für die polnisch-spanischen Neubürger auf und versprach, die Einwanderung aus dem Osten im größtmöglichen Maße zu erleichtern.

Spaniens Einwanderungsbeauftragter Enrique Fernandez-Miranda liefert einen weiteren Grund für die spanische Einladung Richtung Osten: "Die katholische Religion erleichtert die Integration in Spanien." Vielleicht ist das auch einer jener Gründe dafür, dass tausende afrikanische Wanderarbeiter, die bisher von den spanischen Zitrusplantagen und dann auf die Erdbeerfelder zogen, dieses Jahr leer ausgingen. "Das ist Rassismus", schimpfen sie. Die Erdbeerbetriebe hätten ihnen mitgeteilt: "Wir wollen keine Afrikaner mehr, wir wollen Polinnen."

Ralph Schulze

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