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Polen: Kaczynski-Brüder verzögern EU-Vertrag

In Polen streiten sich Regierung und die Kaczyinki-Brüder um den EU-Reformvertrag. Staatspräsident Kaczynski malt ein Schreckensszenario mit Rückgabeansprüchen von Deutschen und Ehen für Homosexuelle an die Wand - und blockiert die Unterzeichnung des Vertrags.

Nach einer Intervention von Polens Staatspräsident Lech Kaczynski zögert sich die Ratifizierung des EU-Reformvertrags durch Warschau weiter hinaus. Das polnische Parlament verwies den Entwurf des Ratifizierungsgesetzes der liberalkonservativen Regierung am Dienstag in den zuständigen Ausschuss. Der Präsident hatte am Vorabend in einer TV-Ansprache einen eigenen Entwurf zum Ratifizierungsgesetz angekündigt. Damit stellte sich der Staatschef offen an die Seite seines Zwillingsbruders Jaroslaw Kaczynski. Der hatte als Chef der nationalkonservativen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) den Gesetzenwurf der Regierung vergangene Woche blockiert und mit seiner Ablehnung gedroht.

Für die Ratifizierung des EU-Reformvertrags von Lissabon braucht die regierende Bürgerplattform (PO) von Ministerpräsident Donald Tusk im Parlament eine Zwei-Drittel-Mehrheit, die sie aber nur mit PiS-Stimmen erhalten kann. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski hatte eine Präambel zum Ratifizierungsgesetz gefordert, die den Vorrang der polnischen Verfassung vor dem Vertrag sicherstellen soll. Nach Ansicht von Beobachtern will der PiS-Chef mit seinem Einspruch gegen das Ratifizierungesetz die Unterstützung des rechtsklerikalen und europafeindlichen Senders Radio Maryja wiedergewinnen. Laut einer aktuellen Umfrage käme die PiS derzeit nur auf 23 Prozent der Wählerstimmen, die PO dagegen auf 60 Prozent.

TV-Ansprache mit Steinbach-Bildern

Staatspräsident Kaczynski erklärte in seiner knapp fünfminütigen TV-Ansprache, sein Gesetzentwurf solle die Unverletzlichkeit aller im Lissabon-Vertrag zugunsten Polens festgeschriebenen Regelungen garantieren. Gewährleistet werden solle insbesondere, dass Polen nicht doch noch der europäischen Grundrechte-Charta beitritt. Dies könne deutsche Rückgabe- oder Entschädigungsansprüche an Polen zur Folge haben, warnte Kaczynski. Dazu waren Bilder von Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach (beide CDU), eingeblendet. Gezeigt wurde auch ein alte deutsche Karte, auf der heute polnische Gebiete noch zu Deutschland gehörten.

Auch homosexuelle Ehen müssten in Polen möglicherweise zugelassen werden, wenn das Land der Grundrechtecharta beitrete, warnte der Präsident zum Hochzeitsfoto eines schwulen Paares. Die Ansprache war wie ein Wahlkampfspot mit Musik und Bildern aufgelockert. Tusk hatte vergangene Woche erklärt, dass der EU-Reformvertrag notfalls durch ein Referendum ratifiziert werden könne. Laut einer am Montag veröffentlichten Umfrage sind 75 Prozent der Polen für eine Ratifizierung des Vertrags, sieben Prozent dagegen und 18 Prozent ohne Meinung. (mhz/AFP)

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