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Polen: Kaczynski holt auf

Bei den Präsidentschaftswahlen in Poeln wird ein enger Wahlausgang erwartet. Bronislaw Komorowski, vor kurzem noch als sicherer Sieger gehandelt, ringt plötzlich um Profil.

Warschau - Alle sind lieb und nett. Nur eines hat keiner erwartet: Bronek, wie der liberale Präsidentschaftskandidat Bronislaw Komorowski von seinen Freunden genannt wird, hat sich überraschend doch noch ins Studio des polnischen Staatsfernsehens TVP1 begeben. Sein Herausforderer Jaroslaw Kaczynski blickt beim obligatorischen Händedruck ins Leere. Die beiden Außenseiterkandidaten Grzegorz Napieralski (Bündnis der Demokratischen Linken) und Waldemar Pawlak (gemäßigte Bauernpartei PSL) trauen ihren Augen nicht. Da steht Komorowski also, der vor dem Absturz der Präsidentenmaschine im russischen Smolensk vor zwei Monaten noch gesetzte Wahlsieger, und ringt um Profil.

Die Flut habe die liberale Regierung – für die Komorowski noch als Parlamentspräsident waltet – trotz wesentlich größerer Wassermengen besser bekämpft als 1997, sagt er etwa. Oder: Polen habe seit 1989 „sehr viel erreicht“. Er sagt es bedächtig, nett. Doch auch Jaroslaw Kaczynski scheint seine Stimme verloren zu haben. Der vor der Flugzeugkatastrophe seines Zwillingsbruders begnadete Redner, trägt nun mit sanfter Stimme Allgemeinplätze vor. „Ein neuer politischer Diskurs ist meine Vision“, sagt er und ruft zum Kompromiss auf.

Ministerpräsident Donald Tusk höchstpersönlich habe seinen Parteikollegen Komorowski zu mehr Angriffslust angehalten, heißt es in der polnischen Presse. Komorowski versuchte sich also in der TV-Debatte als Kämpfer. Beim polnischen Reizthema der In-vitro-Befruchtungen müsse ein Kompromiss gefunden werden, nicht wie unter Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski, versucht er zu giften. Der 60-jährige Kaczynski entgegnet, er sei ein Katholik. Das Moderatorenteam hakt weder nach noch widerspricht es, dies lässt das Format der Sendung, das jedem der vier Kandidaten je 60 Sekunden Redezeit pro Frage einräumt, gar nicht zu. „Die armen Politiker mussten wie Schuljungen zu einem Zeitreden antreten“, kommentiert am Montag die Tageszeitung „Polska“. Der Sieger, da ist man sich in Polen am Tag danach einig, ist bei den beiden Außenseiterkandidaten Napieralski und Pawlak zu suchen. In den Umfragen allerdings liegen sie abgeschlagen bei rund fünf Prozent.

Komorowski und Kaczynski liegen bei 30 bis 40 Prozent, wobei der Rückstand des Kaczynski-Zwillings Jaroslaw inzwischen auf rund fünf Prozent geschmolzen ist. Hatte die liberale Bürgerplattform (PO) noch von einem Sieg Komorowskis in der ersten Runde am 20. Juni geträumt, so gilt eine Stichwahl mitten in der Haupturlaubszeit am 4. Juli nun praktisch als sicher. Dank geringer Wahlbeteiligung hätte Jaroslaw Kaczynski dann gute Siegeschancen, denn seine Wähler im Rentenalter haben kein Geld für Ferien. Das Thema Außenpolitik fand übrigens trotz eines entsprechenden Diskussionsblocks praktisch nicht statt – das unter der Regentschaft der Kaczynski-Zwillinge angespannte deutsch-polnische Verhältnis schon gar nicht. Immerhin erwähnte Kaczynski in einer Wortmeldung Berlin – das sei eine wichtige europäische Hauptstadt, genauso wie Madrid und Rom. Paul Flückiger

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