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Politik: „Polen muss aus der Opferecke“

Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach (CDU) hält die Angriffe aus dem Nachbarland für unberechtigt

Heute spricht Bundespräsident Horst Köhler zum „Tag der Heimat“, Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat die Ausstellung „Erzwungene Wege“ eröffnet. Freuen Sie sich über so hohen Zuspruch?

Ja, sehr. Für uns ist das ein Signal der Zuwendung zu einem Thema, das alle Deutschen angeht. Ich sehe mit Freude, dass sich mehr und mehr Deutsche des Themas Flucht und Vertreibung annehmen – auch im Schulunterricht.

Polens Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski sagte kürzlich, „Wir wünschen uns, dass alles, was mit dem Namen von Frau Steinbach in Verbindung steht, so schnell wie möglich endet“.

Er kennt mich ja nur vom Hörensagen. Mit der Ausstellung selbst haben weder er noch sein Bruder, Präsident Lech Kaczynski, sich ernsthaft auseinandergesetzt. Dabei haben wir die wohl erste und einzige Ausstellung, die es je in Deutschland gab, die das Schicksal auch der polnischen Vertriebenen thematisiert. Wir dürfen aber eines nicht vergessen, was schon der polnische Essayist Jan Josef Lipski seinen Polen mit auf den Weg gab: Wir müssen uns alles sagen.

Auch im persönlichen Gespräch mit Ihren polnischen Kritikern?

Ich glaube, ein solches Gesprächsangebot würde als Provokation empfunden. Das möchte ich nicht. Ich stelle aber fest: Was Polen tut, nützt niemandem. Aus einer reinen Opferecke findet das Land so kaum mehr hinaus.

Die Kritik richtet sich vor allem gegen Ihre Person. Könnten Sie sich auch eine andere Persönlichkeit an der Spitze eines „Zentrums gegen Vertreibungen“ vorstellen?

Solange ich mich nicht selber in der Spree ertränke und die Bundesregierung Polen versichert, dass meine Asche vor dem Pazifischen Ozean ausgestreut wird, damit auch ja kein Stäubchen an die polnischen Küsten gespült wird, so lange wird es offenbar keine Ruhe geben. Doch im Ernst: Viele Polen brauchen offenbar ein Feindbild. Alle BdV-Präsidenten mussten damit leben. Als ich das Amt übernahm, war mir das durchaus bewusst.

Kritiker sehen in der Betonung individueller Schicksale wie in der Ausstellung „Erzwungene Wege“ die Gefahr der Beliebigkeit. Relativiert ein Vergleich deutscher und polnischer Opfer nicht die Schuld der Schuldigen?

Jeder Mensch, egal ,welchem Volk er angehört, hat die gleiche Würde und die gleichen Rechte. Leider empfinden aber viele Polen alles, was ihnen nicht lupenreinen Opferstatus garantiert, als nicht richtig. Das hat schon die Jedwabne-Debatte deutlich gemacht, in der es um polnischen Antisemitismus ging. Wir haben in der Ausstellung klar gemacht, dass Vertreibungen unterschiedliche Vorgeschichten hatten – und die, die vertrieben haben, unterschiedlich fadenscheinige Begründungen dafür hatten. Ob Armenier, Karelier oder Deutsche: Man wollte sich einer missliebigen Menschengruppe entledigen, und dafür hat man Gründe gesucht.

Der Bundestagspräsident hat bei der Eröffnung der Ausstellung daran erinnert, dass das Gedenken an Flucht und Vertreibung eine staatliche Aufgabe sei. Wo sehen Sie da das „Zentrum gegen Vertreibungen“?

Ich habe mich darüber gefreut, dass wir mit unserer Stiftung dem Staat auf die Sprünge geholfen haben. Denn natürlich ist das Gedenken an Flucht und Vertreibung eine staatliche Aufgabe. Wenn eine solche Einrichtung geschaffen wird, kann das aber nicht ohne Mitwirkung der Betroffenen geschehen.

Der „Spiegel“ berichtete kürzlich über Nazi-Verstrickungen von führenden BdV-Funktionären bis in die achtziger Jahre hinein. Wollen Sie sich der Aufarbeitung stellen?

Ich will Halbwahrheiten nicht länger stehen lassen. BdV-Führungsmitglieder waren nicht mehr oder weniger belastet als im Schnitt der Bevölkerung. Ich werde aber einen Projektantrag an die Bundesregierung stellen, um von Forschern klären zu lassen, inwieweit es tatsächliche und inwieweit behauptete Verstrickungen gab.

Mit der CDU-Politikerin sprach Sebastian Bickerich.

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