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Robert Biedron, Bürgermeister der polnischen Stadt Slupsk, hat am Sonntag eine neue Partei gegründet.

© Alik Keplicz/AP/dpa

Polen: Robert Biedron gründet links-liberale "Frühlingspartei"

Ein schwuler Stadtpräsident will die polnischen Wähler mit einem dritten Weg begeistern.

"Robert, Robert, Robert!", rufen ihm seine Anhänger herausfordernd zu. Doch Robert Biedron hält die Spannung bis zum Schluss. Den Namen seiner neuen Partei will er noch nicht verraten. Erst stellt er sein Programm vor. "Wir wollen Toleranz und Gleichheit für alle BürgerInnen", sagt er. "Wir wollen endlich einen Staat, in den die Bürger Vertrauen haben können", fährt er unter großem Applaus fort.

Seit Monaten schon wurde in Polen darüber spekuliert, wie der einstige Bürgermeister von Slupsk (Stolp) seine neue Partei nennen würde. "Ich liebe Polen!", galt als Favorit. Seit Sonntagabend ist nun klar, dass die neue Linkspartei am polnischen Himmel "Wiosna" (Frühling) heißen wird. "Der jahrelange Winter, die soziale Kälte, der polnisch-polnische Krieg zwischen den beiden alten Herren (gemeint sind Kaczynski und Tusk) muss ein Ende haben - wir wollen endlich Frühling!", ruft Biedron während eines einstündigen Auftritts rund 3000 begeisterten Anhängern in Warschau zu. 

Er inszeniert sich als neuer polnischer Leader

Der bekannte Gleichstellungaktivist inszeniert sich in der Warschauer Konzerthalle "Torwar" als neuer polnischer Leader, der die zutiefst polarisierte Politlandschaft aufbrechen kann. Der Ex-Abgeordnete der linksliberalen "Palikot"-Bewegung gibt seine neue Bewegung als außerparlamentarische Anti-Establishment-Partei aus, die im Gegensatz zu Jaroslaw Kaczynskis rechtsnationaler Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) und der liberalen Oppositionspartei "Bürgerplattform" (PO) des heutigen EU-Ratsvorsitzenden Donald Tusk echte europäische Werte wie Toleranz, politische Dialogbereitschaft und freie Partnerwahl vertrete. 

Werte, von denen in Polen schon lange keiner mehr spricht

Mit EU- und Polen-Flaggen ausgestattet jubeln größtenteils junge Anhänger und Anhängerinnen dem 42-jährigen zu, der auf einer in die Menge vorgebauten Bühne gleichsam in der Menge badet. Auch ein paar wenige Regenbogenfahnen sind zu sehen. Biedron stellte auf dem Gründungskongress seiner "Frühlingspartei" Werte vor, von denen in Polen schon lange niemand mehr zu sprechen gewagt hat. Und er macht es in geschlechtsneutraler Rede, spricht immer sowohl die Herren wie die Damen an, was auf Polnisch ziemlich umständlich klingt. So fordert er die vollständige Freigabe der Abtreibung bis zur zwölften Schwangerschaftswoche, die Ehe-Öffnung für Homosexuelle, aber auch Aufklärungsunterricht in der Schule – das ist heute in Polen keine Selbstverständlichkeit - sowie eine strikte Trennung von Kirche und Staat. Robert Biedron verspricht unter großem Applaus auch einen Kohle-Ausstieg bis zum Jahr 2035 und eine Ausweitung der bereits unter der rechtspopulistischen Kaczynski-Partei PiS ausgebauten Sozialleistungen. So sollen Mindestlohn und Mindestrenten massiv angehoben werden.

Engagement für Schwulen- und Lesbenrechte

Als schwuler Atheist verkörpert Biedron mit seinem Lebensstil und seinen Überzeugungen das pure Gegenteil der heute erfolgreichen PiS, die in Umfragen trotz des Immobilienskandals um Parteichef Jaroslaw Kaczynski immer noch fast 40 Prozent Unterstützung genießt, wenn die Parlamentswahlen Ende Januar, und nicht erst im Herbst stattfinden würden. Dabei ist Biedron ausgerechnet in der PiS-Hochburg Podkarpackie (Vorkarpaten), in der Kleinstadt Krosno, aufgewachsen. Nach der Volksschule hat er dort zuerst eine Hotelfachschule besucht und später in Masuren und Warschau Politologie studiert. 2001 trat er den postkommunistischen Links-Demokraten (SLD) bei. Biedron engagiert sich für Schwulen- und Lesbenrechte, Gleichberechtigung, Tierrechte und lokale Selbstverwaltung. Seit 2002 lebt der Politiker mit seinem Lebenspartner Krzysztof zusammen.

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