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Politik: Polens deutscher Wahlkampf

Die Entscheidung um den Präsidenten fällt zwischen einem nationalen und einem liberalen Kandidaten

Rot-weiß wallend flimmert die Nationalflagge über die Leinwand in der Danziger Oliwa-Halle, während sich die 3000 aus dem ganzen Land herbeigekarrten Parteigänger der nationalkonservativen „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) zum Absingen der Nationalhymne von ihren Plätzen erheben. „Willkommen bei der Partei des Sieges“, begrüßt der als Einpeitscher fungierende Europaabgeordnete Michael Kaminski mit markigen Worten die „Patrioten, die stolz darauf sind, Polen zu sein“: „Unsere warmen polnischen Herzen erwärmen den Saal.“

Eine Atempause im Dauerwahlkampf wird den politikmüden Polen im Wahlherbst nicht vergönnt. Nach der Parlamentswahl Ende September steht dem Land am kommenden Sonntag die erste Runde der Präsidentschaftswahlen bevor. Kann kein Kandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, gibt es zwei Wochen später eine Stichwahl. Wer in die zweite Wahlrunde einziehen wird, gilt als ausgemacht: Nur der rechtsliberale Wahlfavorit Donald Tusk (PO) und sein nationalkonservativer Widersacher Lech Kaczynski (PiS) können sich berechtigte Hoffnungen auf den Einzug in den Präsidentenpalast machen.

Rhythmisch klatschen die Parteigänger von Kaczynski, während ein Barde auf seiner Gitarre die Parteihymne schrammelt: „Wir wollen Recht und Gerechtigkeit, für die vierte Republik naht die Zeit.“ Endlich tauschen Helfer das Mikrofon gegen ein Rednerpult aus. Dann steigert sich der Applaus zum Beifallsorkan. Seit den Parlamentswahlen stehe dem Land die Tür zu einer vierten Republik „weit offen“, verkündet mit ernster Miene und seiner leicht nuschelnden Stimme der Mann, der mit seinem Zwillingsbruder Jaroslaw dem Land zu einer „moralischen Erneuerung“ verhelfen will: „Das Land steht vor zwei Alternativen. Dem Projekt einer liberalen Republik der Reichen, wo nur das Geld zählt. Oder eines solidarischen Polens, das zusammensteht, Arbeitsplätze schafft und die Armut bekämpft.“

Ihr Sieg bei den Parlamentswahlen hat der PiS im Präsidentschaftswahlkampf Auftrieb gegeben. Nur kurz sahen sich die Kaczynski-Zwillinge nach der Nominierung des Hinterbänklers Kazimierz Marcinkiewicz zum Premier dem Vorwurf des Wahlbetrugs ausgesetzt. Das Possenspiel im Koalitionspoker scheint inzwischen eher Tusk zu schaden: Der große Umfragevorsprung des PO-Chefs ist auf wenige Prozent geschrumpft.

Während sich Kaczynski als „harter“ Anwalt des kleinen Mannes zu profilieren versteht, fällt dem „weichen“ Tusk die Auseinandersetzung mit seinem polarisierenden Widersacher schwer. Da sich der Historiker mit Rücksicht auf die Koalitionsgespräche mit Angriffen auf Kaczynski zurückhält, kann er nur verhalten um Stimmen werben. Die Schlappe der PO bei der Parlamentswahl macht Tusk schwer zu schaffen.

Stoisch äugen zwei Zwölfender auf die Menschenmenge in dem altehrwürdigen Artushof herab. In der Pose des Bürgervaters steht Tusk zwischen drei Hundertschaften seiner Anhänger in der Mitte der früheren Danziger Kaufmannsgilde: „Ihr werdet stolz auf euren Präsident sein.“ Harte Attacken auf seinen Rivalen vermeidet der leicht lispelnde Kandidat, versucht sich stattdessen in der Wahlkampfkunst der eher dezenten Nadelstiche. Im Gegensatz zu Kaczynski, der unversöhnlich die einstigen Kriegsgegner Deutschland und Russland als die größten Gefahren für das Land bezeichnet, bemüht sich der 48-Jährige um deutlich moderatere Töne. Er bewerte Polens Vergangenheit anders als Kaczynski und ziehe aus ihr für die Zukunft andere Schlüsse, sagt der Danziger. Das Land brauche berechenbare Politiker und einen Präsidenten „ohne Komplexe“, wirbt er für ein weltoffenes Polen. „Wir wollen gute Beziehungen zu unseren Nachbarn“, versichert Tusk nach seinem Wahlkampfauftritt dem Tagesspiegel: „Wie das Verhältnis zu Deutschland aussehen wird, hängt nicht zuletzt vom Ausgang der Präsidentenwahl ab: Auch darum ist sie für mich so wichtig.“

Thomas Roser[Danzig]

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