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"Politically Incorrect": Beleidigungen, Drohungen und blanker Hass

Der meistgelesene islamkritische Blog Deutschlands, "Politically Incorrect" (PI) , duldet Diffamierung. Nun fordern Politiker Kontrolle.

Natürlich wurde der Fehltritt sofort ausgeschlachtet, als dem SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy in einem Facebook-Wortwechsel in der vergangenen Woche die Sicherungen durchbrannten. Nachlesbar für über 2 000 Menschen verlor er die Contenance und schleuderte einem Journalisten entgegen, er könne ihn mal kreuzweise. Schlimmeres folgte. Die Reaktion des „islamkritischen“ Blogs „Politically Incorrect“ (PI) ließ nicht lange auf sich warten. Nicht, dass Fragen nach Bildrechten, über die es zur Eskalation gekommen war, irgendwie zum thematischen Profil des Blogs passen würden. Der hat sich nämlich den Kampf gegen die Islamisierung Europas auf die Fahnen geschrieben. Aber es ging nun mal um Edathy, einen Lieblingsfeind von „PI“. Einer, der schon lange vor den Juli-Attentaten in Norwegen gefordert hatte, rechtspopulistische und islamkritische Blogs stärker vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen.

PI machte es dann wie häufig zuvor: Selbst hielten sich die Autoren des Portals mit Diffamierungen zurück. Unter dem Titel „Edathy beleidigt Fans“ erläuterte lediglich ein kurzer Text den Sachverhalt in süffisantem Ton und schloss: „Gut zu wissen, wie man in der SPD mit unliebsamen Meinungen umzugehen pflegt …“ Den Rest besorgten die Leserkommentatoren, für deren Äußerungen das Telemediengesetz die Betreiber erst dann in die Pflicht nimmt, wenn sie nachweislich Kenntnis einer Straftat haben und den Inhalt dennoch nicht löschen oder sperren: „Der hat bestimmt zu wenig Sauerstoff im Ramadan zu sich genommen. Oder eine Curryvergiftung“, so eröffnete „Kulturbanause“ die Hetzjagd. Beleidigungen wie „kleinkariertes Würstchen“ und „Widerling“ folgten unmittelbar. „Als Edathy seine Heimat verlies, hatte Indien einen Idioten weniger und wir einen schmarotzenden Politiker mehr. Fachkraft eben!“, schrieb Nutzer sun-tzu am 10. September um 21 Uhr 09.

Edathy selbst wies bereits im letzten Jahr in einem Brief an den damaligen Innenminister Thomas de Maizière darauf hin, dass sich in den Kommentarbereichen von PI „Verstöße gegen das Strafgesetzbuch“ fänden. Vor allem Volksverhetzung und Beschimpfung von Religionsgemeinschaften fänden dort regelmäßig statt. Einträge auf Hetzseiten in Verbindung mit Schmäh- und Drohmails sind für viele Politiker aber bereits alltäglich. Aydan Özoguz, Integrationsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, äußerte Ende März Kritik an der Islamkonferenz. „Am besten du verpisst dich in dein Scheiß-Land“, hieß es da. Mailschreiber bezeichneten die antirassistisch aktive SPD-Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert als „blöde Sau“. Den Stempel des „Vaterlandsverräters“ hat in einschlägigen Blogs auch Ruprecht Polenz (CDU) inne. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag spricht sich für einen EU-Beitritt der Türkei aus.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie "PI" auf die Forderung von Politikern hinsichtlich einer stärkeren Überwachung reagiert.

Während rechtlich schwer gegen die Diffamierungen im anonymen Communitybereich vorzugehen ist, sieht das Bundesamt für Verfassungsschutz auch keine ernste Gefahr, die von PI ausgehen könnte. Nach Angaben einer Sprecherin gegenüber dem Tagesspiegel bewegt sich „der Großteil der Beiträge im Rahmen einer Islamkritik und nicht im Bereich des Extremismus“. Man habe PI jedoch „im Auge“. Sabine Schiffer vom Institut für Medienverantwortung in Erlangen ist der Ansicht, dass der Verfassungsschutz auf einen semantischen Trick hereingefallen ist. PI definiert sich als pro-amerikanisch und pro-israelisch. „Deshalb glaubt man, dass die Seite nicht antisemitisch und damit extremistisch sein kann.“ Sie bewege sich somit – so der Irrglaube – im Rahmen des Grundgesetzes. Die Medienexpertin beobachtet die Seite seit ihrer Gründung. Diese sei voll mit Verschwörungstheorien, wonach alle Gefahren und Probleme von Muslimen, dem Islam und von „Volksverrätern“ ausgingen. Einen Aufruf zu Gewalttaten müsse es nicht geben, um zu erkennen, dass dort Volksverhetzung stattfinde.

Der PI-Aussteiger Jens von Wichtingen spricht vom „sektenähnlichen Charakter von PI“. „Man lebt in einer eigenen Welt. Gut und Böse. Schwarz und Weiss“, schrieb er nach seinem Ausstieg 2007. „Man steigert sich in einen … Wahn.“ Er selber habe sich ausschließlich auf einschlägigen Seiten über „Horrormeldungen zum islamischen Jihad“ informiert. Ein extrem einseitiges Bild sei die Folge gewesen. Das träfe auch auf die anderen Autoren von PI zu. Man wähne sich im Besitz der Wahrheit und sei „süchtig, diese zu verbreiten“.

Zuletzt sprachen sich nach einem investigativen Bericht, der die Vernetzung des Blogs mit rechtspopulistischen Gruppierungen europaweit aufzeigte, Politiker mehrerer Parteien gegenüber der „Berliner Zeitung“ für eine stärkere Überwachung des Blogs aus – unter ihnen auch Sebastian Edathy. Eine Maßnahme, die die Bundesregierung aber ablehnt: In Bezug auf das Portal lasse sich eine rechtsextremistische Bestrebung „derzeit (noch) nicht feststellen“, beantwortete die Regierung am Donnerstag eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. Die überwiegende Mehrheit der Einträge auf PI bediene sich keiner klassischen rechtsextremistischen Argumentationsmuster, sondern sei „im islamkritischen Spektrum anzusiedeln“. „Beiträge mit antimuslimischen, teilweise auch rassistischen Inhalten“ fänden sich praktisch ausschließlich in den Leserkommentaren.

Auf diese Argumentation setzen auch die Betreiber der Seite. Den Vorwurf einer wenig moderierten Leser-Community müsse sich PI zwar gefallen lassen, dies sei aber auch den knappen Ressourcen geschuldet, die eine „personalintensive Moderation“ nicht möglich machten, sagte PI-Gründer Stefan Herre dem Tagesspiegel. In der Folge fänden sich bei PI „teilweise Kommentare mit Standpunkten, die wir ablehnen“.

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