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Politikerbezüge: Im eigenen Interesse

Haben die Wähler die Sensibilität der Politiker geweckt? Immer mehr Parlamentarier wehren sich gegen die Erhöhung ihrer Bezüge.

Von Robert Birnbaum

Kurzurlaub im Heimatwahlkreis ist für Bundestagsabgeordnete oft ein zwiespältiges Vergnügen, kriegen sie doch bei der Gelegenheit von ihren Wählern zu hören, was die vom Berliner Politikbetrieb halten. Die zwei Wochen parlamentarische Pfingstferien aber entwickeln sich für viele MdBs geradewegs zum Spießrutenlauf: Die geplante Diätenerhöhung regt die Leute auf. Und der Zorn zeigt Wirkung: Waren es zunächst vor allem SPD-Abgeordnete, die die Gehaltsaufbesserung in eigener Sache nicht mitmachen wollten, regt sich nun auch in der Union Widerstand.

„Diese Erhöhung ist den Menschen überhaupt nicht zu vermitteln“, sagt der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann dem Tagesspiegel. Er werde dem Schritt deshalb nicht zustimmen. Die Erfahrungen des Christdemokraten aus dem Wahlbezirk Steglitz-Zehlendorf mit den Diätenplänen sind exemplarisch für das, was viele seiner Kollegen derzeit erleben. Von „maßlosem“ Zorn berichtet einer aus einem westdeutschen Flächenland, der nicht namentlich zitiert werden will. Wellmann hat den Volkszorn quasi als Nebenprodukt der Reaktionen auf einen Aufruf zur Tempelhof-Volksabstimmung zu spüren bekommen. Viele seiner Berliner Wähler unterstützten den Appell, den Innenstadt-Flughafen zu erhalten – nur um direkt anschließend über die „Selbstbedienung“ im Parlament herzuziehen.

An sich, sagt der Christdemokrat, finde er die Anpassung der Diäten an das seit langem beschlossene Niveau von Richterbezügen in Ordnung. Abgeordnete müssten ordentlich bezahlt werden, wenn man kein Parlament wolle, in dem nur noch Staatsdiener oder von Haus aus gut Betuchte sitzen. Ohne den zusätzlichen Aufschlag in Höhe der Tarifanhebung für den öffentlichen Dienst hätte auch niemand etwas gesagt, vermutet Wellmann. Aber die doppelte Anhebung „in Zeiten, in denen wir die Renten gerade mal um ein Prozent erhöhen und vielen gesellschaftlichen Gruppen eine Menge zumuten“ – das sei zu viel. „Da passt die Diätenerhöhung einfach nicht ins Bild“, sagt Wellmann. „Man kann nicht gegen eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung so etwas durchsetzen.“

Der Berliner Abgeordnete steht mit dieser Sicht nicht allein. Bisher haben sich zwar bei der Fraktionsführung der CDU/CSU nur wenige mit ihren Bedenken gemeldet. Auch hatte der Diätenvorschlag der Koalitionsspitzen im ersten Anlauf vor zwei Wochen in den Fraktionen breite Zustimmung erhalten. Doch viele Abgeordnete hatten von dem Plan da zum ersten Mal gehört. „In der Sitzung gab es keine Diskussionen“, sagt ein Parlamentarier, „die haben erst hinterher angefangen.“

Die Pfingstpause daheim in den Wahlkreisen dürfte eher dazu beigetragen haben, Bedenken wachsen zu lassen. Wie stark sich das auswirkt, wird in den Landesgruppensitzungen am Montag nächster Woche erkennbar werden. Wellmann sagt, er rechne mit einer Diskussion in der Fraktionssitzung am nächsten Dienstag. Falls es so weit überhaupt kommt. In den Fraktionsführungen von Union und SPD wird die Stimmungslage sorgsam beobachtet. Wenn sich abzeichnen sollte, dass der Diätenplan nicht durchsetzbar ist, will ja keiner als letzter Verteidiger auf verlorenem Posten übrig bleiben.

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