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Die mazedonische Anti-Terroreinheit "Tiger" lieferte sich in der nordmazedonischen Stadt Kumanovo zwei Tage lang Gefechte mit "Terroristen". 22 Menschen kamen dabei ums Leben.

© AFP

Politische Situation in Mazedonien eskaliert: Wie nach einem Krieg

Die zweitägigen Feuergefechte in Kumanovo mit 22 Toten zeigen: Die politische Lage in Mazedonien droht weiter zu eskalieren. Experten fordern einen EU-Sondergesandten oder eine internationale Kommission.

Das Viertel Lagjja e Trimave – zu Deutsch „Viertel der Tapferkeit“ in Kumanovo – ist verwüstet. Einige Häuser sind niedergebrannt, andere vom Kugelhagel zerstört, zerschossene Autos sind zu sehen, auf der Straße liegen unzählige Patronenhülsen. Es sieht aus wie nach einem Krieg. Die Antiterroreinheit „Tiger“ hatte Häuser mit mutmaßlichen Terroristen in dem dicht besiedelten Gebiet gestürmt. Offensichtlich hatte die gegnerische Gruppe viele Waffen. Insgesamt dauerten die Feuergefechte zwei Tage.

Das Fazit: Acht Polizisten wurden erschossen, 37 verletzt. Die Behörden sagen, dass 14 Angehörige der als „Terroristen“ bezeichneten Gruppe starben, 30 haben sich der Polizei ergeben. Unklar ist, ob es zivile Opfer gibt. Über die Hintergründe gibt es nur Spekulationen und es ist angesichts der Situation in Mazedonien nicht damit zu rechnen, dass es eine unabhängige Aufklärung geben wird. Sie hatten wohl keinen ethnischen Hintergrund. „Wir wissen nicht, was hier los ist. Hier gibt es auch keine UÇK“, sagt ein Mann, der im Viertel wohnt. Der Analyst Sašo Ordanoski denkt wie viele, dass die Ereignisse „gemacht worden sind, um die politische Dynamik zu ändern“. Ordanoski sagt: „Die Regierung war ja dem Punkt näher gekommen, an dem sie zurücktreten hätte müssen.“

Das Kabinett von Premier Nikola Gruevski ist unter Druck, weil die Opposition Protokolle von abgehörten Telefonaten veröffentlicht, die Wahlbetrug, den Missbrauch des Justizsystems und der Polizei sowie Korruption und Kontrolle der Medien bezeugen. Mazedonien kann nach diesen Enthüllungen als zumindest semiautoritäres Regime beschrieben werden.

EU-Politiker wie Kommissar Johannes Hahn fordern seit Wochen von den Politikern in Mazedonien, die Lage zu beruhigen. Doch das Gegenteil passiert. Und die Mediation von EU-Parlamentariern hat bisher nichts gebracht. Ordanoski warnt: „Es wird weiter eskalieren. Man muss die internationale Gemeinschaft, die seit Monaten zusieht, fragen: Habt ihr genug getan, um das zu verhindern?“

Seit langer Zeit fordern Experten einen EU-Sondergesandten. Überlegenswert wäre auch eine internationale Kommission, die den Skandal um die Abhörprotokolle und das Feuergefecht in Kumanovo untersucht. Ohne unabhängige Aufklärung kann es keine Beruhigung geben. Südosteuropa-Experte Tobias Flessenkemper erinnert daran, dass die EU bei der Befriedung des Konflikts 2001 in Mazedonien eigentlich erfolgreich gewesen sei. Danach habe man die Dinge schleifen lassen. Mazedonien hat seit 2005 Kandidatenstatus, EU- und Nato-Beitritt sind aber durch Griechenland blockiert. Auffällig ist auch das zuletzt vermehrte Engagement Russlands.

Das Feuergefecht in Kumanovo hat auch in den Nachbarstaaten zu Reaktionen geführt. So schickte Serbien Sondereinheiten an die Grenze. Es gab zwar keinerlei Hinweise auf eine Gefahrensituation in Serbien oder im Kosovo. Allerdings lösen nationalistische Aussagen, wie etwa vom albanischen Premier Edi Rama, Ängste aus. Dieser hatte kürzlich gesagt, dass Albanien und der Kosovo „gezwungen sein werden, sich auf klassische Weise“ zu vereinigen, sollte ihre Vereinigung im Rahmen der Europäischen Union auf sich warten lassen.

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