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Politik: Polizei war überfordert

Im "Hetzjagd-Prozess" hat ein Polizist eingeräumt, die Gubener Wache sei in der Nacht des Todes von Farid Guendoul alias Omar Ben Noui überfordert gewesen. "Es war nicht möglich, alle Einsatzaufträge abzufahren", sagte der Polizeiobermeister gestern vor dem Landgericht Cottbus, "wir mussten Prioritäten setzen".

Von Frank Jansen

Im "Hetzjagd-Prozess" hat ein Polizist eingeräumt, die Gubener Wache sei in der Nacht des Todes von Farid Guendoul alias Omar Ben Noui überfordert gewesen. "Es war nicht möglich, alle Einsatzaufträge abzufahren", sagte der Polizeiobermeister gestern vor dem Landgericht Cottbus, "wir mussten Prioritäten setzen". Insgesamt waren in jener Februarnacht, in der der algerische Asylbewerber auf der Flucht vor seinen Verfolgern durch eine Glasscheibe gestürzt war und verblutete, sechs Beamte mit drei Funkwagen unterwegs.

Der Polizeiobermeister hatte bereits bei einer ersten Befragung durch das Landgericht im September ausgesagt, er habe seinen Wachdienstführer vergeblich auf die Brisanz der Lage aufmerksam gemacht. Nach einer Schlägerei zwischen Skinheads und Ausländern vor der Discothek "Dance Club" war dem Beamten klar, dass sich die Glatzköpfe in eine Selbstjustiz-Stimmung hineinsteigerten und Ausländer jagen wollten. Dennoch wurde von der Gubener Wache keine Verstärkung beim Polizeipräsidium Cottbus oder dem Bundesgrenzschutz angefordert.

Die damaligen Angaben hatten für den Polizisten unangenehme Folgen. Das Präsidium Cottbus forderte ihn auf, seine Zeugenaussagen in einer "Dienstlichen Äußerung" zu rechtfertigen. Darauf reagierte das Landgericht Cottbus mit scharfer Kritik. Die Verunsicherung des Polizeiobermeisters und der Wache Guben sei eine unzulässige Einflussnahme auf Zeugen, sagte der Vorsitzende Richter der dritten Großen Strafkammer, Joachim Dönitz, Ende September. Dönitz wandte sich persönlich an den Polizeipräsidenten von Cottbus und erreichte später auch, dass der Polizeiobermeister uneingeschränkt Auskunft geben darf.

Dennoch entstand beim gestrigen Verhandlungstag der Eindruck, die Gubener Wache könnte verunsichert worden sein: Eine Polizeimeisterin sagte nur stockend aus, verwickelte sich in Widersprüche und versuchte, die Februarnacht als eher undramatisch darzustellen. Dass die Skinheads Selbstjustiz üben wollten, könne sie "so eigentlich nicht sagen", meinte die Beamtin auf eine Frage von Richter Dönitz. Im Gegensatz zu einer voraus gegangenen Antwort gab sie dann jedoch an, ein verprügelter Ausländer, der sich in eine Gaststätte geflüchtet hatte, habe vor den jungen Deutschen geschützt werden müssen.

Zu Beginn der Verhandlung stellte gestern der Verteidiger eines der elf Angeklagten erneut einen Befangenheitsantrag gegen Richter Dönitz. Die Entscheidung der Strafkammer ist für den morgigen, 26. Verhandlungstag, zu erwarten.

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