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Politik: Polizisten statt Soldaten

Grenzschützer sollen die Bundeswehr unterstützen, etwa im Kosovo – weil die Armee überfordert ist

Von Robert Birnbaum

Otto Schily ist ein Minister, der sein Revier eifersüchtig hütet. Insofern ist es durchaus bemerkenswert, wenn der Kollege Peter Struck am Sonntag im Deutschlandfunk berichtet, dass er mit Schily über ein Thema im Gespräch ist, das weit in den Bereich des Innenministers hinein reicht: Polizei im Auslandseinsatz. Allerdings, sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, sei das Gespräch erst am Anfang. Wie auch immer: Man redet. Und zwar auch darüber, ob nicht in absehbarer Zukunft der Bundesgrenzschutz als Polizei des Bundes verstärkt in jenen Krisenregionen wie Kosovo oder auch Afghanistan eingesetzt werden sollte, in denen bisher vorwiegend die Bundeswehr aktiv ist.

Hintergrund dieser Überlegungen sind die jüngsten Erfahrungen im Kosovo einerseits und die sich abzeichnenden Aufgaben in Afghanistan andererseits. Im Kosovo war die Bundeswehr während der März-Krawalle mit klassischen Polizeiaufgaben konfrontiert - und ihnen folglich schlecht gewachsen. Inzwischen sind Polizeischilde und Schlagstöcke nach Prizren geschafft, der Bundestag hat die bis dahin aufgrund von C-Waffen-Vorbehalten verbotene Ausrüstung der Armee mit Reizgas genehmigt, und Soldaten üben regelmäßig „Auflösen von Demonstrationszügen“. Trotzdem ist allen Beteiligten klar, dass so etwas eigentlich nicht der Job von Militär sein kann.

Der zweite Anstoß zum Nachdenken kommt aus Afghanistan. Dort will und soll die internationale Schutztruppe Isaf sich demnächst verstärkt dem Kampf gegen Drogenanbau und -handel widmen. Die Bundeswehr steht dabei außen vor – der Bundestag hat es so beschlossen, und Struck betont, das sei auch richtig, „weil unsere Soldaten nicht ausgebildet sind als Polizisten und als Drogenfahnder“.

Logisch wäre also schon, dass Schily und seine Länder-Kollegen ihre dafür ausgebildeten Beamten in Marsch setzen – und zwar nicht nur einzelne Polizeiausbilder wie bisher, die der heimischen Polizei helfen sollen. Schwierig ist es aber. Für eine Abkommandierung der Polizei ins Ausland fehlt bisher die Rechtsgrundlage, Schily und Kollegen müssen auf Freiwillige setzen. „Das kann man ändern“, sagt Struck auf Nachfrage. Und dass er sich durchaus vorstellen könne, dass Zeiten kommen, „wo man wirklich klar sagen muss: „Wir müssen mehr Polizisten – Polizisten, also auch Bundespolizisten, sprich BGS-Leute – auf den Balkan schicken oder vielleicht auch nach Afghanistan, weil es mehr und mehr polizeiliche Aufgaben sind.“ Freilich fügt der Verteidigungsminister hinzu, der Zeitpunkt sei nicht gekommen: „noch nicht jetzt“. Otto Schily, wie gesagt, mag sich in sein Revier nun schon gar nicht von Kabinettskollegen hineinreden lassen.

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