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Politik: Poppig in die neue Ära

Frankreich hat erstmals eine konservative Volkspartei / Ex-Premier Juppé ist ihr Vorsitzender

Von Sabine Heimgärtner,

Paris

Für Frankreichs neogaullistischen Präsidenten Jacques Chirac hat sich ein jahrzehntelanger Traum erfüllt. „Das Ende der Rivalitäten zwischen Konservativen und Liberalen", hatte er vor einem Monat angekündigt, als die von ihm vor 26 Jahren gegründete Partei RPR aufgelöst wurde. In Le Bourget, einem Vorort von Paris, fand am Sonntag der Gründungskongress der neuen konservativen Partei statt – der „Union für eine Volksbewegung“ (UMP) aus Gaullisten, Liberalen und Zentristen, die mit etwa 160 000 Mitgliedern eine der größten konservativen Parteien Europas werden wird, nach dem Vorbild der spanischen Populären Partei PP von José Maria Aznar und der deutschen CDU von Angela Merkel. Beide traten als Gastredner beim Gründungskongress auf. „Die CDU und die UMP sind beide konkurrenzlos die gestaltende bürgerliche Kraft in ihren Ländern“, sagte Merkel.

Mehr als 400 ausländische Gäste, darunter auch eine Delegation der Kommunistischen Partei Chinas, verfolgten das Spektakel, das für Frankreich vor allem zwei entscheidende Richtungsänderungen bedeutet. Zum einen das Ende der Elitepolitik, weil sich die neue Massenpartei der Bevölkerung geöffnet hat. Das soll das knallige Parteilogo zeigen, deshalb werden poppiger Musik-Einblendungen gespielt, daher marschieren die Prominenten zu Disco-Rhythmen in die Kongresshalle ein. Zum zweiten bedeutet die UMP-Gründung den Weg hin zu einem Zweiparteiensystem, in dem neben Links und Rechts die vielen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bestehenden Splitterparteien keine Rolle mehr spielen werden.

Für das traditionell aufgegliederte Land der Intellektuellen, Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegungen mag das eine Chance sein, aber auch eine große Gefahr. Erst bei den letzten Präsidentschaftswahlen im April dieses Jahres hatte sich deutlich gezeigt, dass das Wahlvolk wenig bereit ist, den großen Linien „Links“ oder „Rechts“ zu folgen, stattdessen eher dazu neigt, kleineren Splitterparteien an den extremen oder sogar extremistischen Rändern ihre Stimme zu geben. Ein Grund, warum der sozialistische Ministerpräsident Lionel Jospin am 21. April hinter dem Rechtsextremen Jean Marie Le Pen landete und Jacques Chirac nicht nur als Präsident wieder gewählt wurde, sondern seine Partei schließlich auch die Parlamentswahlen mit der absoluten Mehrheit gewann.

Die unterschiedlichen Strömungen in der neuen Volkspartei zusammenzuschmieden bleibt nun die Aufgabe des neuen Parteivorsitzenden Alain Juppé, früherer Ministerpräsident und heutiger Bürgermeister von Bordeaux. Er erhielt mehr als 80 Prozent der Delegiertenstimmen. Juppé, der als arrogant und machtgierig verschrien ist, soll die Riesenpartei während seines zwei Jahre dauernden Mandats zusammenhalten. Wie andere Spitzenpolitiker steht aber auch er im Verdacht, in eine Spendenaffäre verwickelt zu sein. Bei den Präsidentschaftswahlen 2007 will Juppé als Spitzenkandidat antreten, aber jetzt schon hat er mindestens zwei Schwergewichte als Gegenkandidaten: den liberalen Ministerpräsidenten Raffarin und den als Politikerstar behandelten Innenminister Sarkozy.

Sabine Heimgärtner[Paris]

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