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Port-au-Prince: Haiti: Modellstadt auf Trümmern

Auf den Hügeln über den Ruinen von Port-au-Prince wird derzeit an der neuen haitianischen Hauptstadt gebastelt.

Experten der UN und der USA, haitianische Funktionäre und in- und ausländische Architekten und Stadtplaner hetzen in Petionville von einem Treffen zum nächsten, um darüber zu diskutieren, wie die Stadt wieder aufgebaut werden kann, wer die Hilfsgelder verwaltet, wer die Aufträge verteilt und die Pläne entwirft. Mittendrin Tourismusminister Patrick Delatour, ein in den USA ausgebildeter Architekt, der aus dem urbanen Chaos, das Port-au-Prince vor dem Beben war, eine Modellstadt machen will mit einer ausgeklügelten Verteilung von Wohn- und Geschäftsvierteln, Parks und öffentlichem Nahverkehr. Der Wiederaufbau soll die Stadt endlich mit der nötigsten Infrastruktur wie Straßenbeleuchtung und Abwasserkanälen versehen. Der Plan soll Ende März bei den UN in New York auf einer Geberkonferenz vorgelegt werden.

Was sich verlockend anhört, birgt in Wirklichkeit eine riesige bürokratische Maschinerie in sich, bei der es um viel Geld geht: auf 14 Milliarden hat die Interamerikanische Entwicklungsbank (BID) die Kosten für den Wiederaufbau veranschlagt. Hunderte von Unternehmen, überwiegend aus den USA, stehen bereits in den Startlöchern, um ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Auch die Opposition will auf den Zug aufspringen und verlangt Mitspracherechte beim Wiederaufbaukonzept. Die aus Intellektuellen, Ex-Diplomaten, Ex-Militärs und Wirtschaftsbossen zusammengewürfelte Opposition will sicherstellen, dass die Gelder auch in Wirtschaftsförderung und Dezentralisierung fließen.

Doch die Bevölkerung bekommt von diesen Diskussionen und den hochtrabenden Plänen in klimatisierten Büros wenig mit. „Hier sind noch nicht einmal alle Trümmer weggeräumt“, sagte eine Passantin dem lokalen Radio. „Und uns fehlt es an Jobs, Krankenhäusern, Schulen und öffentlichen Verkehrsmitteln, nicht an Prachtboulevards.“ Während die Funktionäre und Hilfsorganisationen noch darüber diskutieren, wo die Notunterkünfte am besten errichtet werden sollen, haben die Betroffenen längst zur Selbsthilfe gegriffen. Das Ergebnis dürfte die Beamten allerdings nicht wirklich zufrieden stellen: auf Plätzen wie dem Champs de Mars ist ein chaotischer Slum entstanden aus Zelten, Plastikplanen und Wellblech.

Nicht nur die Bürokratie, auch Spannungen zwischen den verschiedenen Akteuren belasten den Wiederaufbau. Er habe die Nase voll von Berichten über Korruption, sagte Präsident René Préval vor kurzem. Ineffizienz und politische Instabilität haben dazu geführt, dass die Internationale Gemeinschaft seit Jahren ihre Hilfe bevorzugt über Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) abwickelt.

Doch das hatte eine wenig koordinierte Kakophonie zur Folge. NGOs leisteten größtenteils spontan und gestützt auf ihre lokalen Netzwerke Katastrophenhilfe. Als dann immer mehr Hilfsorganisationen einflogen und die Regierung aus ihrer Lähmung erwachte, begann die Konkurrenz: manche Neuankömmlinge ließen sich von Regierungsmitgliedern „Konzessionen“ erteilen für Gebiete, die eigentlich schon von anderen NGOs abdeckt waren. Besonders schwer zugängliche Gegenden sind hingegen nur unzureichend versorgt.

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