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POSITION: Eine Schande für unser Land

Der Rechtsextremismus muss entschieden bekämpft werden

Der bekannt gewordene Rechtsterrorismus übersteigt alles bisher Vorstellbare und muss unter Ausschöpfung aller rechtsstaatlichen Mittel bekämpft werden. Ich bin entsetzt und tief erschüttert über diese Terrorakte. Mein Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen der Mordopfer. Ich bekunde meine Solidarität mit unseren ausländischen Mitbürgern. Dass die Verantwortlichen für diese brutalen Gewaltverbrechen aus Thüringen, aus der für Bildung und Kultur stehenden Universitätsstadt Jena stammen, erfüllt mich mit tiefer Scham und es zeichnet ein falsches Bild des Freistaats. Thüringen ist ein gastfreundliches, ein weltoffenes Land, das von seiner internationalen Einbindung lebt. Die Aufgeschlossenheit für Neues, die Weltoffenheit und der Respekt vor den Mitmenschen sind Triebfedern der Thüringer Geschichte und Gegenwart.

Die rechtsterroristische Blutspur zieht sich durch das ganze Bundesgebiet. Dass diese Serie von Verbrechen über Jahre hinweg nicht dem rechtsextremistischen Bereich zugeordnet wurde, lässt bei vielen Menschen Zweifel an der Arbeit von Polizei, Verfassungsschutzämtern und der Justiz aufkommen. Es darf nicht verwundern, dass von einer Vertrauenskrise gesprochen wird.

Es tun sich viele Fragen auf und diese müssen beantwortet werden, vollständig, schonungslos und transparent. Das beginnt mit dem Entkommen der Jenaer Bombenbauer im Jahr 1998 und endet mit der Frage, ob mit der Zwickauer Zelle nun alle rechtsextremen Terroristen enttarnt wurden. Bei allem, was die Politik in Deutschland in der nächsten Zeit zur Beantwortung der eben aufgeworfenen Fragen unternimmt, muss die Öffentlichkeit umfassend einbezogen werden. Nur so kann das Vertrauen in Polizei, Verfassungsschutz und Justiz wiedergewonnen werden.

Thüringen hat bereits eine Kommission eingesetzt, um vor allem die den Freistaat betreffenden Vorgänge seit den 90er Jahren aufzuarbeiten. Als weitere Konsequenz steht für mich fest, dass wir die engere Vernetzung der Sicherheitsbehörden sowohl hier in Thüringen als auch mit den Nachbarländern und dem Bund vorantreiben müssen. Insgesamt werden wir alles prüfen, was Thüringen bislang gegen politischen Extremismus unternommen hat. Wichtig ist mir der Hinweis, dass Thüringen bereits nach den rechtsextremistischen Vorfällen Ende der 90er Jahre Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus ergriffen hat, etwa durch die Schaffung der „Landesstelle Gewaltprävention“. Auch die Thüringer Polizei hat sich auf Entwicklungen im rechtsextremen Bereich eingestellt. Beispielhaft steht hier die Anti-Extremismus-Konzeption. Rechtsextreme und gewaltverherrlichende Musikveranstaltungen wurden in den letzten Jahren konsequent bereits im Vorfeld unterbunden oder aufgelöst.

Mit dem Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz setzt die Landesregierung heute auf eine Handlungsstrategie, die das Problem Rechtsextremismus in seiner ganzen Komplexität erfasst. Trotz der knappen Haushaltsmittel wurde es finanziell aufgestockt. In diesem Jahr standen insgesamt 1,135 Millionen Euro zur Verfügung. Im nächsten Jahr werden es 1,528 Millionen Euro sein.

Bereits vor zwei Jahren habe ich die erneute Prüfung eines NPD-Verbotsverfahrens gefordert. Ich fordere dies heute mehr denn je. Die NPD ist bundesweit die bedeutendste Organisation der rechtsextremen Szene. Sie bietet den geistigen Nährboden für die Mörder aus Zwickau. Diese Organisation darf nicht länger als Partei bezeichnet und durch Steuermittel unterstützt werden.

Die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Verharmlosung des Rechtsextremismus beginnt bereits dann, wenn man im privaten oder beruflichen Bereich extremistische, ausländerfeindliche oder antisemitische Äußerungen einfach stehen lässt, ohne aktiv zu widersprechen. Wir brauchen eine Kultur des Hinsehens. Rechtsextremismus ist eine Schande für unser Land. Wir müssen ihn ächten, denn die Würde des Menschen ist unantastbar.

Die Autorin ist Ministerpräsidentin des Freistaats Thüringen.

Christine Lieberknecht

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