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Präimplantationsdiagnostik: Seelenqual der CDU

Zwei Stunden wurde auf dem CDU-Parteitag emotional gestritten. Die Debatte zur Präimplantationsdiagnostik zeigt die Zerrissenheit der Delegierten.

Von Antje Sirleschtov

Karlsruhe - PID, ist diese Untersuchung von Embryonen zur Früherkennung von Behinderungen ein Gebot der Menschlichkeit, oder ist es am Ende gar das komplette Gegenteil? Für keine andere Partei führt die Antwort auf diese Frage tiefer ins Zentrum des Selbstverständnisses wie für die CDU. „An die Seele“, gehe es der CDU, sagte Norbert Lammert am Dienstag. Und der Bundestagspräsident legte offen, dass er „immer stärkere Bedenken“ habe, die PID zu verbieten. Obwohl er doch selbst vor nicht allzu langer Zeit für ein Verbot war.

Vor drei Jahren erst hatte die Partei mit dem „C“ im Namen beschlossen, die Präimplantationsdiagnostik zu verbieten. Weil Leben für die Christdemokraten weit vor der Geburt beginnt und die Partei große Sorgen hatte, dass eine Zulassung dazu führen wird, dass Ärzte in Zukunft darüber entscheiden können, welches Leben lebenswert ist und welches nicht.

Nun allerdings hat der Bundesgerichtshof die politische Entscheidung vom Bundestag erneut eingefordert. Und ganz nebenbei ist die PID außerhalb Deutschlands längst zur medizinischen Normalität geworden. Menschen, die auf natürliche Weise keine oder nur schwerstbehinderte Kinder bekommen können – und vor allem um diese Menschen geht es bei der PID – lassen längst außerhalb Deutschlands untersuchen, ob die Embryonen, die im Reagenzglas befruchtet wurden, schwere genetische Schäden aufweisen.

Die Union hat sich ihre Entscheidung wahrlich nicht leicht gemacht. Gut zwei Stunden stritten Befürworter und Gegner leidenschaftlich. Sogar die Frage, ob es am Ende überhaupt eine Abstimmung geben soll, wurde hinterfragt. Aber nein: Die Abgeordneten wollten Klarheit, hier und jetzt – und entschieden sich am Ende mit 408 zu 391 Stimmen, die PID weiterhin unter Verbot zu halten. Knapper ging es kaum. Dies mach nicht nur die Zerrissenheit der CDU in dieser Frage deutlich, es hilft auch jenen Bundestagsabgeordneten, die unterlegen sind. Denn nach diesem Votum wiegt bei der Abstimmung im Parlament eine vom Parteitag abweichende Abstimmung weniger schwer.

Sehr früh hatte Angela Merkel die polarisierende Debatte eröffnet und einem PID-Verbot das Wort geredet. Ihr Argument: Eine Begrenzung der PID auf solche Fälle, in denen genetische Veranlagungen der Eltern die Gefahr eines behinderten Kindes bergen, ist praktisch nicht möglich. Merkel hat zwar für die Bundestagsabstimmung eine freie Gewissensentscheidung befürwortet. Nach ihrer sehr frühen Positionierung allerdings wurde Merkel auch unterstellt, sie wolle sich – eher aus parteipolitischer Taktik denn aus anschaulicher Begründung – auf die Seite des konservativen Flügels stellen.

Auf dem Parteitag selbst widersprach eine breite Gruppe namhafter Unionspolitiker ihrer Vorsitzenden. Angeführt von Ursula von der Leyen über Peter Hintze, Norbert Lammert, Kristina Schröder bis hin zu Wolfgang Schäuble warben die Befürworter von PID in einem Antrag dafür, diese Untersuchung in begrenztem Rahmen zuzulassen. Pragmatische Gründe führten sie später in der Debatte an, aber auch grundsätzliche. „Warum ist die Abtreibung schwer behinderter Kinder noch im Spätstadium der Schwangerschaft möglich und die Vorbeugung dieses leidvollen Schrittes soll es nicht sein“, fragte Peter Hintze und forderte von seiner Partei „das Prinzip der Mitmenschlichkeit“ ein. Werdenden Eltern zuzumuten, monatelang mit der Angst zu leben, ein schwer behinderten Kind zu bekommen, und dann abzutreiben, sagte Hintze, das widerspreche dem christdemokratischen „Gebot der humanitären Vernunft“. Die Gefahr, das PID zur Selektion von Embryonen oder gar zur Zucht von Designerbabys führen könnte, sah auch Familienministerin Schröder nicht. Vor drei Jahren, sagte sie, sei sie noch für ein Verbot gewesen. Mittlerweile habe sie sich mit dem Leben der Betroffenen befasst und komme nun zu der Überzeugung: Man muss das Verfahren zulassen, „es ist das kleinere Übel“.

Mit grundsätzlichen Zweifeln stemmten sich hingegen viele der Parteitagsredner gegen eine Öffnung des PID-Verbotes. Generalsekretär Hermann Gröhe sprach von „Heiligkeit des Lebens“. Und Julia Klöckner, die Rheinland-Pfälzerin, warnte: „Wenn die Tür erst einmal offen ist, dann wird der Druck wachsen, ein perfektes Kind zu haben“. Dies müsse von Anfang an verhindert werden. Leben sei „Geschenk Gottes und nicht unter Bedingungen gegeben“. Auch Maria Böhmer, Staatsministerin, und Fraktionschef Volker Kauder warnten vor den Folgen: Wer wolle darüber entscheiden, in welchen Fällen eine PID und das Aussortieren belasteter Embryonen zugelassen werden soll und wann nicht, fragte Böhmer. „PID“, sagte sie, „ist Nein zum Leben.“ Und Kauder warnte eindringlich vor Missbrauch der PID: „Wenn wir diese Tür aufmachen, wird das die Praxis radikal verändern.“

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