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Wahlplakate in Kairo

© dpa

Präsidentenwahl in Ägypten: Die wichtigsten Kandidaten

Ehemalige Minister, Islamisten und ein säkularer Linker: Fünf Männer gelten als Favoriten für die erste Runde der Präsidentschaftswahl in Ägypten.

Amre Moussa, ehemaliger Außenminister (75)

Er ist der bekannteste Politiker unter den Bewerbern um das höchste Staatsamt. Fast jeder Ägypter kennt den 75-Jährigen, der Jahrzehnte lang in der arabischen Welt hohe Führungsämter bekleidete. Zunächst war Moussa von 1991 bis 2001 Außenminister in Kairo, dann wurde er von Hosni Mubarak weggelobt auf den Stuhl des Generalsekretärs der Arabischen Liga, an deren Spitze er bis 2011 stand. Der Politiker wurde im Oktober 1936 in Kairo geboren, studierte Rechtswissenschaften und schlug nach dem Examen die diplomatische Laufbahn ein. Zunächst arbeitete er in mehreren Botschaften, machte dann als Politikplaner im Außenministerium Karriere, bevor er von 1981 bis 1983 als Vize-Botschafter Ägyptens zu den Vereinten Nationen wechselte. Unter Hosni Mubarak gehörte er zu den wenigen politischen Stimmen, die den Kurs des Präsidenten gegenüber Israel als allzu nachgiebig beanstandeten und die israelische Besatzungspolitik in der Westbank und im Gazastreifen öffentlich kritisierte. Das machte den Vater zweier Söhne in seiner Heimat populär, wo sich die große Mehrheit der Bevölkerung eine härtere Gangart Kairos gegenüber Jerusalem wünscht. Moussa stellt den Friedensvertrag von Camp David 1979 insgesamt nicht in Frage, verlangt aber Änderungen – vor allem den Wegfall der Klausel, dass Ägypten kein eigenes Militär auf dem Sinai stationieren darf.

Die ägyptische Revolution vom 25. Januar 2011 unterstützte Moussa von Anfang an. Zusammen mit Friedensnobelpreisträger Mohamed elBaradei war er der erste ägyptische Spitzenpolitiker, der sich damals bei den Demonstranten auf dem Tahrir-Platz sehen ließ. Als Präsidentschaftskandidat wirbt Moussa mit einem säkular-liberalen Programm unter dem Titel „Der Wiederaufbau Ägyptens. Meine Vision für die Zweite Republik“. Wegen seines Alters will er im Falle einer Wahl nur eine Amtszeit an der Spitze des Staates bleiben. Für seine Heimat strebt er unter anderem engere Beziehungen zum Westen an in Form einer „virtuellen Mitgliedschaft“ bei der Europäischen Union. Die EU-Standards für Demokratie, Wirtschaft und Recht sollen zur Richtschnur werden für das neue, post-revolutionäre Ägypten, auch wenn dem Land am Nil – anders als der Türkei – kein formeller Beitritt möglich ist.

{Abdel Moneim Abolfotoh, früherer Muslimbruder}

Abdel Moneim Abolfotoh (61)

Als junger Mann legte er ein Spitzenexamen ab, bis zuletzt arbeitete er als Hausarzt. Jetzt präsentiert sich Abdel Moneim Abolfotoh als Doktor für ganz Ägypten. Er versteht, die Menschen anzusprechen, vermittelt ihnen den Eindruck, dass er die Probleme der einfachen Leute kennt und versteht. Sechs Kinder haben Abolfotoh und seine Frau Aliya, die er während des Studiums kennen lernte und die als Frauenärztin praktiziert. Zu früher Prominenz kam der heute 61-Jährige, als er 1975 dem damaligen Präsidenten Anwar as-Sadat bei einer Veranstaltung auf dem Campus ins Gesicht sagte, dass dessen Berater „Kriecher und Heuchler“ seien. Andere kamen damals schon für viel weniger in Gefängnis, dem Ausnahmestudenten Abolfotoh wurde anschließend eine wissenschaftliche Karriere an der Universität verweigert. Stattdessen ging er als Gotteskämpfer nach Afghanistan, wo auch sein ältester Sohn geboren wurde. Nach seiner Rückkehr trat er der Muslimbruderschaft bei, gehörte aber bald in Fragen von Scharia oder Frauenrechten zum moderaten Flügel der Organisation. Frauen hätten nach der Lehre des Korans das gleiche Recht wie Männer, Gesellschaft und Politik eines Staates zu führen, schrieb er 2006 in einem Positionspapier. In seiner Autobiographie beschreibt er, wie er seine Vorurteile gegen die Sufibewegung korrigierte, nachdem er deren Denken und Spiritualität näher kennen gelernt hatte.

Von 1987 bis 2009 gehörte er dem Führungsbüro der Islamisten an. Zwei Jahre später wurde er aus der Muslimbruderschaft ausgestoßen, nachdem er eigenmächtig seine Kandidatur für die Präsidentenwahlen erklärt hatte. Unter Hosni Mubarak saß Abolfotoh sechs Jahre im Gefängnis, beim Volksaufstand im Januar 2011 war er vom ersten Tag an dabei. In seinem Wahlkampf unter dem Motto „Für ein starkes Ägypten“ versucht er mit Themen wie Armutsbekämpfung, Investitionsförderung, Bildung und Gesundheitsfürsorge über die politischen und religiösen Lager hinweg Stimmen zu gewinnen. So unterstützen ihn die radikalen Salafisten ebenso wie der bekannte Chefblogger der Revolution, Wael Ghonim, sowie beträchtliche Teile der jungen Muslimbrüder, denen der starre Kurs der alten Garde nicht mehr schmeckt.

{Mohamed Mursi, Muslimbruder}

Mohamed Mursi (60)

Promoviert hat er in den Vereinigten Staaten, seine vier Kinder besitzen alle die amerikanische Staatsbürgerschaft. Mohamed Mursi ist Ingenieur, und seine Ansichten sind ähnlich starr wie der Stahlbeton, den er in seinen Statiken berechnet. Der Vorsitzende der „Partei für Freiheit und Gerechtigkeit“, die als politischer Arm der Muslimbruderschaft agiert, ist im Kampf um die Präsidentschaft eigentlich nur Ersatzmann. Nachdem die Hohe Wahlkommission den Wunschkandidaten der Muslimbruderschaft, den Millionär Khairat El Shater, wegen seiner Gefängnisstrafe unter Mubarak disqualifizierte, sprang Mursi ein – und keineswegs freiwillig. „Er wehrte sich und wollte nicht, wir mussten ihn hart bedrängen“, berichtete ein Mitglied des inneren Führungszirkels über die turbulenten Stunden der Entscheidung. Am Ende unterwarf er sich Mursi der Disziplin seines islamistischen Politbüros, dem er selbst viele Jahre angehörte.

Im August 1951 in der Provinz Sharqia im Nildelta geboren, blieb er seiner Heimat bis heute treu. Bis zuletzt arbeitete er als Professor an der Fakultät für Ingenieurwissenschaften in der Provinzhauptstadt Zagazig. Zwischendurch lebte die Familie aber auch in Kairo und in Kalifornien. Zurück in Ägypten machte er rasch Karriere in der Muslimbruderschaft, wurde ihr politischer Sprecher und gründete die „Ägyptische Kommission gegen den Zionismus“. Im Verhältnis zu Israel gilt er als Falke, mehrfach bezeichnete er Israelis als „Killer und Vampire“. Die koptische Minderheit fürchtet ihn wegen seiner militanten religiösen Ansichten. Frauen und Christen haben seiner Ansicht nach in den höchsten Ämtern eines islamischen Ägyptens nichts zu suchen. Die Scharia gehört für ihn selbstverständlich zur Grundlage des Staates, sein Wahlprogramm verspricht eine „Renaissance der Nation“. „Der Koran ist unsere Verfassung, die Scharia unser Gesetz“, skandieren seine Anhänger auf Mursis Wahlveranstaltungen. Und ihr Kandidat antwortet ihnen: „Niemand kann uns stoppen, in eine islamische Zukunft zu marschieren. Dann werden Gottes Gesetze allen ein Leben in Würde eröffnen.“

{Ahmed Shafik, Ex-General und Kurz-Premier zu Revolutionsbeginn}

Ahmed Shafik (70)

Er ist der einzige ehemalige General unter den 13 Präsidentschaftsbewerbern. Sein Vater war Minister für Bewässerungswirtschaft, sein Schwiegervater Minister für Arbeit und Soziales. Ahmed Shafiks Frau starb vor vier Wochen an Krebs, zusammen hat das Paar drei Töchter. Im November 1941 geboren absolvierte er zunächst die Akademie der ägyptischen Luftwaffe und wurde Kampfpilot. Im Yom Kippur Krieg 1973 flog der junge Offizier unter dem Kommando von Hosni Mubarak Einsätze gegen Israel. Nach einem Intermezzo als Militärattaché in Rom wurde Shafiq dann 1996 Oberkommandierender der Luftwaffe im Range eines Luftmarschalls. In Ägypten einen Namen gemacht hat sich der Kandidat aber vor allem seit 2002 als erster Luftfahrtminister des Landes, der die Fluglinie „Egypt Air“ zu einem modernen, profitablen Transportunternehmen umbaute. Unter seiner Regie wurden die Flughäfen des Landes modernisiert und auf internationalen Standard gebracht.

Nach Beginn der Revolution ernannte der bedrängte Hosni Mubarak am 29. Januar 2011 den erfolgreichen Minister zum neuen Regierungschef, der jedoch schon vier Wochen später nach einer hitzigen Fernsehdebatte mit dem populären Schriftsteller Alaa al Aswani zurücktrat. Für viele gilt Shafik einerseits als typischer Widergänger des alten Regimes, anderseits als ein Mann, der bewiesen hat, dass er Dinge bewegen kann und in Mubaraks Korruptionssumpf nicht verwickelt war. Zwar liegen gegen ihn über 40 Anzeigen wegen Selbstbereicherung vor, doch im Unterscheid zu den meisten anderen ehemaligen Machtgrößen hat die Staatsanwaltschaft bisher kein einziges Ermittlungsverfahren eröffnet. Shafik bestreitet alle Vorwürfe und weist sie als „üble Nachrede“ zurück. Formal tritt der 70-Jährige als Unabhängiger an ohne die Rückendeckung einer politischen Partei oder Gruppierung. Trotzdem sind seine Plakate überall im Straßenbild Kairos präsent. An Finanzmitteln für seine Wahlkampagne scheint es ihm nicht zu mangeln. Für Polizei und Militär ist Ex-General der Wunschkandidat. Der übrigen Bevölkerung verspricht er in erster Linie, die Kriminalität zu bekämpfen und die öffentliche Ordnung wiederherzustellen.

{Hamdeen Sabahi, säkularer Linker}

Hamdeen Sabahi (57)

Er gilt als Außenseiter aus dem linken, säkularen Lager und könnte sehr wohl für eine Überraschung sorgen. Hamdeen Sabahi stammt aus kleinen Verhältnissen, war das jüngste von elf Kindern einer Bauernfamilie im Nildelta. Der Vater zweier Kinder ist vor allem auf dem Lande und in den Dörfern populär. Seine Kampagne trägt den Titel „Einer von uns“ und verspricht soziale Gerechtigkeit, eine gerechte Verteilung der nationalen Güter sowie einen fairen Mindestlohn. Unter den Präsidenten Anwar as-Sadat und Hosni Mubarak saß er mehrfach hinter Gittern. 1996 gründete der Journalist und Dichter die nasseristische Al-Karama Partei. In den Jahren 2000 und 2005 wurde er ins ägyptische Parlament gewählt für den Wahlkreis Berlos Wal Hamoul im Governorat Kafr El-Sheikh, wo er im Juli 1954 zur Welt gekommen war. Sabahi studierte Kommunikationswissenschaften, arbeitete bei verschiedenen Zeitungen und zuletzt als Funktionär der nationalen Journalistengewerkschaft. 2004 gehörte er zu den Mitbegründern der Kefaya-Bewegung, die heute als Keimzelle der Demokratiebewegung am Nil gilt. 2010 beteiligte er sich an der von Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei und dem Schriftsteller Alaa al Aswani ins Leben gerufenen „Koalition für den Wandel“. Der 57-Jährige gilt als scharfer Kritiker Israels, den Fortbestand des Camp David Vertrages will er im Falle seiner Wahl in einem Referendum zur Abstimmung stellen. Anders als alle anderen führenden Kandidaten plädiert Sabahi dafür, den Obersten Militärrat nach der Machtübergabe wegen der unter seiner Führung geschehenen Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen. Er hat dabei vor allem die Maspero-Unruhen im Oktober 2011 im Auge, als Soldaten auf friedlich demonstrierende Kopten das Feuer eröffneten und mit einem Radpanzer in die Menge rasten. Damals starben 26 Menschen, hunderte wurden verletzt, ohne dass die Armeeführung bisher die Verantwortlichen für das Massaker identifiziert hat. 

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