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Politik: Präsidentenwahl in Polen: Die Staatsoberhäupter zwei Spitzel? Kwasniewski und Walesa droht Streichung von Wahlliste

Die polnische Präsidentenwahl am 8. Oktober droht zu einer Farce zu werden: Die beiden weltweit bekanntesten Kandidaten, Amtsinhaber Aleksander Kwasniewski und der früher Präsident Lech Walesa, laufen Gefahr, vom sogenannten Lustrations-Gericht von der Wahlliste gestrichen zu werden.

Die polnische Präsidentenwahl am 8. Oktober droht zu einer Farce zu werden: Die beiden weltweit bekanntesten Kandidaten, Amtsinhaber Aleksander Kwasniewski und der früher Präsident Lech Walesa, laufen Gefahr, vom sogenannten Lustrations-Gericht von der Wahlliste gestrichen zu werden. Ihnen wird vorgeworfen, falsche Angaben über mögliche Verbindungen zum Geheimdienst gemacht zu haben. Das sei bei der "Durchleuchtung" (Lustration) dank neuer Akten zu Tage getreten. Beide sollen Informanten gewesen sein.

Da Kwasniewski in den Umfragen mit 60 Prozent unangefochten führt, wirft das oppositionelle Linksbündnis SLD der Regierung vor, sie wolle mit einer Intrige ihrem Kandidaten, dem heutigen Vorsitzenden der Gewerkschaft Solidarnosc, Marian Krzaklewski, zum Sieg verhelfen.

Walesa, der als erster Solidarnosc-Führer dem kommunistischen Regime 1980 die Vereinbarung über die Gründung der ersten freien Gewerkschaft im Ostblock abgetrotzt hatte und später den Friedensnobelpreis erhielt, soll am 29. Dezember 1970 eine Verpflichtungserklärung beim Geheimdienst SB unterschrieben haben. Damals gab es blutige Unruhen mit Toten an Polens Ostseeküste. Später soll Walesa unter dem Decknamen "Bolek" mit dem SB kooperiert haben. Walesa bestreitet die Vorwürfe und sagt, entsprechende Unterlagen seien gefälscht.

Kwasniewski, der in den letzten Jahren des Kommunismus Jugend- und Sport-Minister war und zuvor Chefredakteur verschiedener Jugendzeitschriften, hatte nur angegeben, dass Mitarbeiter des Geheimdienstes ihn mehrfach aufgesucht und politische Gespräche mit ihm geführt hatten. Vor wenigen Tagen hat das Amt für Staatsschutz (UOP) dem Lustrations-Gericht Unterlagen übergeben, nach denen Kwasniewski unter dem Decknamen "Alek" und der Registriernummer 72204 eine "Berichte verfassende Quelle" gewesen sein soll. Sollte das Lustrations-Gericht zu der Auffassung kommen, dass Kwasniewski gelogen hat, würde er zwar das Präsidentenamt nicht automatisch verlieren - dafür ist ein Amtsenthebungsverfahren erforderlich -, dürfte aber nicht erneut antreten.

Nach der Wende gab es in Polen keine einheitliche Linie für den Umgang mit den Geheimdienstakten - auch weil sich die Solidarnosz nach ihrem Sieg über den Kommunismus spaltete. Der nationalkonservative Flügel wollte die Geheimdienstakten sichern und verhindern, dass schwer belastete Mitarbeiter öffentliche Ämter besetzen. Zusammengefasst im Wahlbündnis Solidarnosc (AWS) regieren sie seit 1997. Die Liberalen aus dem früheren Solidarnosc-Lager, unter ihnen der erste demokratische Regierungschef Tadeusz Mazowiecki, tendierten dagegen zum "dicken Schlusstrich".

So blieben die Geheimdienst-Akten lange ungesichert. Die Ex-Kommunisten, die von 1993 bis 1997 regierten, legten 1997 ein mildes Lustrations-Gesetz vor. Anwärter auf hohe Ämter müssen Erklärungen über ihr Verhältnis zum Geheimdienst abgeben. Ein "Sprecher des öffentlichen Interesses" entscheidet, ob das Lustrations-Gericht sie wegen Verdachtsmomenten überprüft.

Der Parlamentsausschuss für die Geheimdienste hat das Amt für Verfassungsschutz (UOP) für sein Vorgehen im Fall Kwasniewski am Montag gerügt: Obwohl der Sprecher des öffentlichen Interesses die Unterlagen bereits im vergangenen Jahr angefordert hatte, habe UOP sie erst jetzt an das Lustrationsgericht geliefert, was den Eindruck eines politischen Spiels erwecken könne. Überdies habe UOP kaum Unterlagen übergeben, sondern Bewertungen der Aktenlage. Die aber seien nicht Aufgabe von UOP, sondern des Gerichts.

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