Niemand steigt zweimal in denselben Fluss, weiß ein russisches Sprichwort. Es gilt auch für Wladimir Putin, den klaren Favoriten bei den Präsidentenwahlen am Sonntag: Der Fluss ist reißender geworden, der Wind, der seine Wellen peitscht, rauer. Politisch und wirtschaftlich.
Wo steht Russland am Vorabend der Präsidentenwahl?
Zwar kann Russland ein Wachstum vorweisen, von dem der Westen träumt: mehr als vier Prozent. Doch andere Schwellenländer bringen das Doppelte und haben das Vorkrisen-Niveau längst wieder erreicht. Anders Russland, das nach wie vor extrem von der weltweiten Nachfrage nach Rohstoffen abhängig ist. Diversifizierung und Strukturreformen haben bisher nicht stattgefunden. Der Aufbau einer konkurrenzfähigen verarbeitenden Industrie ist bisher nicht einmal in Ansätzen erkennbar. Beamtenwillkür und Rechtsunsicherheit, vor allem fehlende Garantien für die Unantastbarkeit des Privateigentums wirken sich extrem negativ auf das Investitionsklima aus. Der Kapitalabfluss aus Russland belief sich 2011 auf 75 Milliarden US-Dollar. Ohne westliches Kapital gibt es aber auch keinen Transfer von Hochtechnologien, die zu einer umfassenden Modernisierung unerlässlich sind.

Dazu kommt ein innenpolitisches System, das die freie Konkurrenz von Programmen und Personen verhindert, Medien und Justiz an der sehr kurzen Leine führt. Ein System, das der aktive Teil der Gesellschaft zunehmend infrage stellt. Die manipulierten Parlamentswahlen im Dezember waren nur der Auslöser für die Massenproteste in den Großstädten, bei denen sich latente Unzufriedenheit Bahn bricht. Ob aus der Minderheit eine Mehrheit wird, bleibt angesichts der Schwäche der russischen Zivilgesellschaft und ihrer internen Konflikte abzuwarten.
Wie stark ist der Rückhalt für Putin in der Bevölkerung?
Sogar bei den letzten Umfragen kritischer Meinungsforscher von Anfang Februar kam Putin auf Zustimmungsraten von weit über sechzig Prozent. Besonders stark ist sein Rückhalt in der Provinz. Ihn unterstützen vor allem Beamte und Industriearbeiter und große Teile der Rentner. Eben diese drei Gruppen sind auch die zahlenmäßig stärksten innerhalb der russischen Gesellschaft, vor allem über ihnen schüttete Putin daher in seinen ersten beiden Amtszeiten das Füllhorn bescheidener sozialer Wohltaten aus.
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