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Joachim Gauck

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Präsidentenwahl: SPD und Grüne rechnen mit Koalitionsstimmen für Gauck

Joachim Gauck sieht sich als Bewerber "aus der Mitte der Bevölkerung". SPD und Grüne erwarten bei der Wahl trotz der schwarz-gelben Mehrheit in der Bundesversammlung auch Stimmen aus der Koalition für ihren Präsidentschaftskandidaten.

Die Opposition kritisierte am Freitag scharf, dass sich Kanzlerin Angela Merkel für Christian Wulff (beide CDU) entschied und den rot-grünen Vorschlag für den Nachfolger von Horst Köhler ablehnte. "Das Amt des Bundespräsidenten sollte von innerparteilichen Machtkämpfen befreit werden", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel bei der Vorstellung Gaucks mit den weiteren Spitzen von SPD und Grünen in Berlin. Auch nach der Entscheidung für Wulff steht die Koalition vor großen Problemen.

Der ehemalige Chef der Stasi-Unterlagenbehörde Gauck beklagte eine starke Entfernung zwischen Regierung und Bürgern. "Wir müssen diese bittere, wirklich schwerwiegende Distanz zwischen den Regierenden und Regierten stärker in den Blick nehmen. Wir müssen sie überwinden", sagte der DDR-Bürgerrechtler. Trotz weltweiter Krisen sprach er sich gegen eine "westeuropäische Sorgenmentalität" aus. Gabriel würdigte ihn als überparteilichen Kandidaten. "Joachim Gauck bringt ein Leben mit in seine Kandidatur und in sein Amt." Niedersachsens Ministerpräsident Wulff bringe nur "eine politische Laufbahn mit".

Grünen-Chef Cem Özdemir hält es für möglich, dass sich einige in der Union - vor allem aus Ostdeutschland für Gauck entscheiden könnten. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte: "Ich bin mir sicher, dass er nicht nur öffentliche Unterstützung erfährt, (...) sondern dass das auch dem einen oder anderen in der Bundesversammlung zu denken gibt, ob man hier wirklich nach kleinkarierter parteipolitischer Ordnung entscheiden darf."

Schwarz-Gelb hat in der Bundesversammlung, die am 30. Juni den Bundespräsidenten wählt, eine klare Mehrheit. Auch die Linke will einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken.

Merkel hat nur Wulff direkt gefragt

Kanzlerin Angela Merkel soll Wulff auf ihrer Liste potenzieller Kandidaten obenan gehabt haben - auch wenn die Medien erst Arbeitsministerin Ursula von der Leyen als Favoritin sahen. Aus Unionskreisen hieß es, Wulff sei der erste und einzige gewesen, den Merkel direkt gefragt habe. Sie hatte jedoch auch von der Leyen, Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bundestagspräsident Norbert Lammert (alle CDU) als potenzielle Kandidaten für die Köhler-Nachfolge angesehen. Gegen von der Leyen gab es internen Widerstand.

Die CDU warb an der Basis für Wulff. "Er ist einer von uns", schrieb CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe an Bundestagsabgeordnete und Parteiverbände. Gabriel sieht in der Entscheidung gegen von der Leyen einen Misserfolg für die CDU-Chefin. "Es ist die schwerste Niederlage als Parteivorsitzende." Merkel habe von der Leyen vorn gesehen. "Sonst hätte sie sie ja auch nicht ein paar Tage laufen lassen."

Die Bundesregierung verliert bei den meisten Deutschen weiter an Zustimmung. Eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-"Politbarometer" ergab, dass 60 Prozent der Befragten unzufrieden mit der Arbeit sind. An diesem Sonntag trifft sich das Kabinett zur Sparklausur, zudem gibt es Streit über die Gesundheitsreform.

Wulff wird bis zur Bundespräsidenten-Wahl seine Aufgaben als Regierungschef erfüllen. Die Bundesversammlung kommt am 30. Juni zusammen. Die Mehrheit der Bundesbürger findet den überraschenden Rücktritt Köhlers falsch. 25 Prozent halten ihn für richtig, ergab das ZDF-"Politbarometer". (dpa/AFP)

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