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Kopf an Kopf. Medwedew und Putin.

© dpa

Präsidentenwahl: Stellungskampf fürs höchste Amt in Russland

Präsident Dmitri Medwedew und Premier Wladimir Putin beginnen die Kampagne zur Präsidentenwahl 2012. Erstmals gab der Kremlchef sogar offen Differenzen zu.

Nach der politischen Hackordnung in Russland ist es geradezu ein Majestätsverbrechen. KP-Chef Gennadi Sjuganow hat als erster Politiker seinen Anspruch auf das höchste Staatsamt angemeldet, das im März 2012 neu vergeben wird. Die eigentlichen Protagonisten dagegen – Präsident Dmitri Medwedew und Premier Wladimir Putin – hocken noch in den Startlöchern. Medwedew immerhin hat sich im Gegensatz zu Putin schon geäußert: „In ziemlich kurzer Zeit“, kündigte er vorige Woche an, werde er seine Entscheidung und „die Umstände, die sie herbeigeführt haben“, mitteilen. Für und Wider müssten abgewogen, soziale Rahmenbedingungen dabei ebenso berücksichtigt werden wie das politische Kräfteverhältnis. Vom Tandem mit Putin und einem Konsens hinsichtlich der Kandidatur, wie ihn beide Politiker immer wieder beschworen hatten, war bei Medwedew keine Rede mehr. Erstmals gab der Kremlchef sogar offen Differenzen zu: Er und Putin wollten ein starkes, blühendes Russland, hätten zu den Methoden aber zuweilen unterschiedliche Auffassungen.

In der Tat: Anfang April hatte Medwedew verlangt, Beamte, denen Putin gut dotierte Posten in den Aufsichtsräten der von ihm gehätschelten Staatskonzerne zuschanzte, müssten ihre Controller-Jobs an unabhängige Direktoren abgeben. Mit gutem Beispiel voran ging ausgerechnet jener Mann, der Medwedews Ultimatum zunächst mit den Worten abgetan hatte, er sehe erst Handlungsbedarf nach einer entsprechenden Verfügung der Regierung: Vizepremier Igor Setschin, im Nebenjob Aufsichtsratschef beim Ölgiganten Rosneft. Er ist ein Intimfreund Putins und die Speerspitze der Seilschaft ehemaliger Geheimdienstler in dessen Entourage.

Setschins Verzicht könnte eine Absetzbewegung von Putins Paladinen bewirken. Sie wollten jetzt die gemachten Gewinne mitnehmen und legalisieren, und dazu, glaubt Jewgenija Albatz, Chefin der kritischen Wochenzeitung „The New Times“, eigne sich der promovierte Jurist Medwedew besser als der frühere KGB- Oberst Putin. Zumal dieser selbst Unternehmensbeteiligungen in zweistelliger Milliardenhöhe halten soll. Selbst seriöse Beobachter können sich daher eine ähnliche Lösung vorstellen wie 1999 bei Boris Jelzins Rücktritt als Präsident. Nachfolger Putin hatte ihm und dessen Familie Unantastbarkeit ihres Vermögens gegen Rückzug aus der Politik zugesagt.

Medwedew, glaubt Albatz, habe sich früh aus der Deckung gewagt, um Punkte bei den Eliten zu sammeln. Denn die Zeit arbeite für Putin. Wohl wahr: Nachdem auch er – 24 Stunden nach Medwedew – eine Kandidatur nicht ausschloss, verlagert sich die Diskussion in die Regierungspartei „Einiges Russland“. Vizepremier Alexei Kudrin machte dabei einen für russische Verhältnisse revolutionären Vorschlag: parteiinterne Vorwahlen wie in den USA. Nichts da, konterte Parteivize Boris Gryslow. Das Wort Putins – Parteichef ohne Mitgliedsbuch – habe Vorrang. Nur wenn er nicht zur Verfügung stehe, werde man Medwedew unterstützen. Ob der Parteitag im Herbst den Schwebezustand beendet, ist fraglich. Ohne Putin als Zugpferd bei den Duma-Wahlen im Dezember ist den Einheitsrussen der Verlust der Zweidrittelmehrheit, mit der sie jedes Gesetz durchwinken können, sicher.

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