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Präsidentschaftswahl: 1,5 Millionen Stimmen in Afghanistan gefälscht

Bei der Präsidentschaftswahl in Afghanistan sind nach Angaben der EU möglicherweise mehr als ein Viertel der Stimmen gefälscht worden. Nutznießer ist Amtsinhaber Karsai.

Präsident Hamid Karsai habe bei der Abstimmung vor knapp vier Wochen 54,6 Prozent der Stimmen gewonnen, teilte die Wahlkommission IEC ungeachtet massiver Betrugsvorwürfe am Mittwoch mit. Karsais wichtigster Herausforderer, Ex-Außenminister Abdullah Abdullah, komme auf 27,8 Prozent.

Bevor das Endergebnis amtlich wird, müssen die Wahlhelfer laut einer Anordnung der UN-unterstützten Beschwerdekommission (ECC) aber die Stimmen aus knapp zehn Prozent der Wahllokale neu auszählen, was Wochen dauern wird. Erst dann soll ein Sieger feststehen.

Die EU-Wahlbeobachtermission teilte kurz vor der Veröffentlichung des vorläufigen Ergebnisses mit, mehr als ein Viertel der zu dem Zeitpunkt ausgezählten 5,5 Millionen Stimmen seien gefälscht oder es bestehe ein derartiger Verdacht. Betroffen seien 1,5 Millionen der insgesamt 5,5 Millionen Voten, sagte die stellvertretende Missionschefin Dimitra Ioannou. Karsai wies die Vorwürfe mit scharfen Worten zurück.

Ioannou verlangte, alle betroffenen Stimmen zu überprüfen. 1,1 Millionen davon entfallen ihren Angaben nach auf Amtsinhaber Karsai, 300.000 auf Herausforderer Abdullah. Sollte Karsai durch Klärung der Betrugsvorwürfe seine absolute Mehrheit verlieren, wäre eine Stichwahl notwendig. Am ersten Wahlgang hatten sich laut IEC 38,7 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt.

Wie die EU weiter mitteilte, müssten die betroffenen Stimmzettel überprüft werden – und zwar, bevor ein vorläufiges Ergebnis verkündet wird. Damit kritisieren die Wahlbeobachter die umstrittene Wahlkommission IEC. Diese hatte angekündigt, ein vorläufiges Endergebnis zu veröffentlichen, wovon die internationalen Wahlexperten abgeraten hatten .

Das Ergebnis zu präsentieren, sei ein Fehler, sagte der Chef der EU-Beobachter, Phillipe Morrillon. Derzeit könne niemand – auch nicht der momentan in Führung liegende Amtsinhaber Karsai – den Wahlsieg glaubhaft für sich beanspruchen. Deshalb habe die EU-Mission die IEC dazu aufgerufen, vor der endgültigen Prüfung aller Betrugsvorwürfe keine weiteren Ergebnisse zu veröffentlichen. In den letzten Wochen hatte es immer wieder Berichte über den Zwischenstand gegeben.

Auch der ehemalige Außenminister Abdullah prangerte massiv Wahlbetrug an. Im Süden des Landes hätten sich die Urnen mit einer Vielzahl gefälschter Stimmzettel gefüllt. Wenn ein ordnungsgemäßes Ergebnis erst im kommenden Jahr festzustellen sei, müsse es eine Übergangsregierung geben, verlangte er. Karsais Anhängern warf er im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vor, die Wahlfälschung sorgfältig vorbereitet zu haben. Der Wahlbetrug wurde Monate, "wenn nicht Jahre im Voraus" vorbereitet, zitierte ihn die Zeitung.

Zur Dauer der Prüfung wollte sich die ECC nicht festlegen. Kommissionschef Grant Kippen schloss zudem nicht aus, dass noch mehr als die jetzt beanstandeten 2516 Wahllokale überprüft werden müssten. Sicher sei nur: Um eine zweite Wahlrunde zu erzwingen, müssten angesichts des deutlichen Vorsprungs von Karsai fast 500.000 Stimmen oder nahezu neun Prozent der abgegebenen Voten für ungültig erklärt werden.

Quelle: ZEIT ONLINE

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