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Bewegt, dankbar, sich der Aufgabe bewusst? Francois Fillon nach dem Vorwahlsieg.

© Philippe Wojazer/Reuters

Präsidentschaftswahl in Frankreich: François Fillon - der Risiko-Kandidat

Der Favorit François Fillon hat die Vorwahl der Konservativen in Frankreich gewonnen. Kann er der FN-Chefin Marine Le Pen den Einzug in den Elysée-Palast verbauen? Das ist nicht ausgemacht. Eine Analyse.

Im kommenden Frühjahr wählt Frankreich einen neuen Präsidenten. Nach der fünfjährigen Amtszeit des bisherigen Amtsinhabers, des Sozialisten François Hollande, spricht alles für einen Machtwechsel. Die konservativen Republikaner, die sich derzeit in der Opposition befinden, haben gute Chancen, den neuen Hausherrn im Elysée-Palast zu stellen.

Am Sonntag hatten mehr als vier Millionen Franzosen bei einer Vorwahl darüber zu entscheiden, welcher der beiden konservativen Bewerber im kommenden Frühjahr ins Rennen gehen soll: der Favorit François Fillon oder Ex-Regierungschef Alain Juppé. Die Wahl fiel erwartungsgemäß deutlich zugunsten von Fillon aus. Am wahrscheinlichsten gilt bei der Präsidentschaftswahl nun ein Duell zwischen ihm und der Vorsitzenden des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen.

Warum entschied Fillon die Vorwahl für sich?

Der Erfolg Fillons hat mit einer Radikalisierung der republikanischen Parteianhänger in Frankreich zu tun. Ähnlich wie bei den Republikanern in den USA hat sich in Frankreich ein Kandidat durchgesetzt, der weit rechts steht. Der ehemalige Premierminister Fillon steht für die Wunschvorstellung vieler Anhänger im Lager der Konservativen, dass die Wirtschaft in Frankreich durch eine „Schocktherapie“ wieder auf die Beine kommen könne – vergleichbar mit den Umwälzungen, die Großbritannien in den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts mit der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher erlebte.

Fillon plant, den französischen Staatsapparat um 500.000 Staatsdiener zu verkleinern. Gleichzeitig möchte der gläubige Katholik Fillon der Kirche im laizistisch geprägten Frankreich wieder mehr Gehör verschaffen. Offenbar traf der Abtreibungsgegner Fillon, der das Adoptionsrecht für Homosexuelle wieder beschränken will, bei vielen Parteianhängern damit einen Nerv.

Könnte Fillon einen Wahlsieg von Le Pen im Frühjahr verhindern?

Bereits seit dem vergangenen Februar steht fest, dass FN-Chefin Le Pen bei den kommenden Präsidentschaftswahlen als Kandidatin ihrer Partei antreten wird. Umfragen sagen ihr einen Stimmenanteil von mehr als 20 Prozent und damit einen Einzug in die entscheidende Stichwahl am 7. Mai voraus. Bislang waren die politischen Auguren davon ausgegangen, dass die Front-National-Chefin im zweiten Wahlgang – gegen welchen Kandidaten auch immer – unterliegen würde. Doch die Wahl von Donald Trump in den USA hat diese Gewissheit inzwischen ins Wanken gebracht.

In seiner parteiinternen Kampagne bei den Vorwahlen der Republikaner setzte Fillon auf Themen, wie sie auch von den Rechtsextremen angesprochen werden. In der vergangenen Woche verglich er bei einer Wahlveranstaltung in einem Vorort von Lyon den radikalen Islam mit dem „Totalitarismus wie bei den Nazis“. Angesichts der ultrakonservativen Kampagne Fillons kamen bereits Mutmaßungen auf, dass der 62-Jährige bei der Präsidentschaftswahl derart im FN-Lager wildern könnte, dass er Le Pen sogar den Weg in die entscheidende Stichwahl versperren könnte.

Allerdings könnten sich derartige Spekulationen als vorschnell erweisen. Der Journalist Bruno Roger-Petit wagte im Wirtschaftsmagazin „Challenges“ jüngst die Prognose, dass Marion Maréchal-Le Pen, die ultrakonservative Nichte der Parteichefin, den Kampf um Wählerstimmen unter den Katholiken wohl kaum Fillon alleine überlassen werde. Obwohl die junge Marion Maréchal-Le Pen parteiintern langfristig als Konkurrentin der Parteichefin gilt, sichere sie kurzfristig die Stimmen von erzkatholischen Wählern, schrieb Roger-Petit.

Als weiterer Schwachpunkt Fillons in einem möglichen politischen Zweikampf mit dem Front National im kommenden Frühjahr könnte sich erweisen, dass der 62-Jährige bislang als Kandidat der Besserverdienenden gilt. So hat er beispielsweise vorgeschlagen, die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte zu erhöhen – eine Maßnahme, die vor allem Einkommensschwache treffen würde. Und genau diese wirtschaftlich abgehängten Wähler jenseits der Metropolen wie Paris, Lyon oder Toulouse sind es, die der Front National schon seit langem mit einem Programm umgarnt, das als wirtschaftlich eher links gilt.

Für diese Parteilinie steht im Front National vor allem Florian Philippot, der einflussreiche Vize von Marine Le Pen. Dass der Front National nicht zuletzt unter Frankreichs Arbeitern viele Wähler hat, wurde jüngst bei der Vorstellung des FN–Parteilogos deutlich. Darauf ist eine blaue Rose zu sehen. Mögliche Verwechslungen mit dem Symbol der Sozialisten – der roten Rose – nimmt Le Pen offenbar ganz bewusst in Kauf.

Welche europapolitischen Vorstellungen verfolgt Fillon?

Im Gegensatz zur FN-Vorsitzenden Le Pen gilt Fillon grundsätzlich als Verteidiger des europäischen Projekts. Andererseits tritt er durchaus kritisch gegenüber der Europäischen Union auf. In seinem Programm erwähnt er explizit, dass er Anfang der Neunzigerjahre den Maastrichter Vertrag nicht unterstützt hat – also jenen Vertrag, der die Grundlage für den Euro schuf. Fillon möchte die Kompetenzen der EU-Kommission einschränken und die Rolle der Mitgliedstaaten in der EU stärken. Andererseits setzt er sich für die Stärkung der EU-Verteidigungspolitik ein. Zudem möchte er langfristig erreichen, dass sich die EU-Mitgliedstaaten in ihrer Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik stärker angleichen.

In seinem Programm ist davon die Rede, dass Deutschland und Frankreich dabei vorangehen sollen. In Berlin wird allerdings ein anderer Aspekt von Fillons Programm argwöhnisch betrachtet – seine Forderung, dass die EU-Sanktionen gegen Russland nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 aufgehoben werden sollten.

Was passiert auf der linken Seite des politischen Spektrums vor der Wahl?

Das Problem von Sozialisten, Grünen und der Akteure der extremen Linken besteht – wie so häufig vor Präsidentschaftswahlen in Frankreich – in ihrer Zersplitterung. Nicht nur die sozialistische Regierungspartei will demnächst einen Präsidentschaftskandidaten küren. Die Grünen ziehen mit dem EU-Abgeordneten Yannick Jadot in die Wahl, der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon führt wiederum seine Bewegung „La France insoumise“ („Das rebellische Frankreich“) an.

Angesichts dieser Zersplitterung des linken Wählerpotenzials wäre es eine Überraschung, wenn der Kandidat der Sozialisten den Sprung in die zweite Runde der Präsidentschaftswahl schaffen sollte. Das liegt vor allem auch daran, dass auch Hollandes früherer Wirtschaftsminister Emmanuel Macron mit seiner Bewegung „En marche!“ bei der Wahl antritt.

Wer könnte bei den Sozialisten als Kandidat antreten?

Das entscheidet sich in zwei Wahlgängen bei der Vorwahl der Sozialisten am 22. und 29. Januar. Hollande will Anfang Dezember bekannt geben, ob er im kommenden Jahr noch einmal antritt oder nicht. Allerdings gilt es als praktisch ausgeschlossen, dass Hollande noch einmal in den Elysée-Palast einziehen kann. Das hat mehrere Gründe: Entgegen allen Versprechen gelang es ihm nicht, die Arbeitslosigkeit wesentlich zu senken.

Im Oktober verspielte Hollande auch noch sein letztes politisches Kapital, als zwei Journalisten nach Gesprächen mit dem Präsidenten einen vielsagenden Blick ins Innenleben Hollandes gewährten. Die Veröffentlichung ihres Buches „Un président ne devrait pas dire ça“ („Ein Präsident sollte so etwas nicht sagen“) wurde zum Bumerang für den Staatschef, der zuvor über Frankreichs Justiz genauso hergezogen war wie über die Fußballer der Equipe Tricolore.

Zu denen, die seinerzeit die Buchveröffentlichung scharf kritisierten, gehörte auch Regierungschef Manuel Valls. Das war bereits das erste Indiz dafür, dass es mit Valls’ Nibelungentreue gegenüber seinem Chef inzwischen vorbei ist. Am Sonntag ließ Valls nun die Zeitung „Journal de Dimanche“ wissen, dass er möglicherweise selbst dann bei der bevorstehenden Vorwahl der Sozialisten im Januar antreten würde, falls Hollande als Kandidat zur Verfügung stehen sollte.

Vor fünf Jahren, bei der letzten Urwahl der Sozialisten, war Valls noch abgeschlagen auf dem fünften Platz gelandet. Doch das hat sich inzwischen geändert: Nach einer am vergangenen Freitag veröffentlichten Umfrage sprachen sich 65 Prozent der Franzosen dafür aus, dass die Sozialisten Valls als ihren Kandidaten auf den Schild heben. Nur 23 Prozent sprachen sich für eine erneute Kandidatur Hollandes aus.

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