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Politik: Prager Patt

Hürden vor dem Machtwechsel: Konservative Bürgerpartei nur knapp vor regierenden Sozialdemokraten

Im tschechischen Parlament droht nach den Wahlen ein wochenlanger Stillstand. Mit einem Patt stehen sich das linke und das rechte Lager im Abgeordnetenhaus gegenüber – beide Seiten verfügen über exakt 100 der insgesamt 200 Sitze. Die stärkste Kraft, die konservative demokratische Bürgerpartei (ODS), hat damit keine ausreichende Unterstützung für den angestrebten Machtwechsel. Tschechische Politikwissenschaftler rechnen mit langwierigen Koalitionsverhandlungen. Auch Neuwahlen sind nicht ausgeschlossen.

Die ODS hat mit 35,4 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis seit Bestehen der Partei erzielt. Die sozialdemokratische Partei (CSSD) des amtierenden Premierministers Jiri Paroubek landete mit 32,3 Prozent auf dem zweiten Platz. Entscheidend für die Patt-Situation sind die kleinen Parteien. Die bevorzugten Koalitionspartner des ODS-Spitzenkandidaten Mirek Topolánek schnitten schlechter ab als in den Meinungsumfragen vorhergesagt: Die Christdemokraten kamen auf 7,2 Prozent der Stimmen und verlieren damit etwa die Hälfte ihrer bisherigen Mandate; die erstmals im Abgeordnetenhaus vertretenen Grünen bekamen sechs statt der erwarteten zehn Prozent. Die angestrebte Mitte-rechts-Regierung hat damit genauso viele Mandate wie das Linksbündnis des Premierministers Paroubek, der eine Minderheitsregierung unter Duldung der kommunistischen Partei durchsetzen möchte.

Indes hat Staatspräsident Václav Klaus (ODS) den Wahlgewinner Mirek Topolánek mit der Regierungsbildung beauftragt. Als Ausweg aus dem Patt gelten derzeit drei Möglichkeiten: Neuwahlen, eine große Koalition oder das Anwerben von Überläufern aus dem gegnerischen Lager. Einer der künftigen Abgeordneten aus den Reihen der Grünen gab bereits an, von den Sozialdemokraten kontaktiert worden zu sein. Die Parteiführung allerdings hält es für ausgeschlossen, dass einer der Grünen aus der Fraktionsdisziplin ausbricht.

Der konservative Spitzenkandidat Mirek Topolánek lud nach anfänglichem Zögern inzwischen auch die Sozialdemokraten zu Gesprächen über eine künftige Zusammenarbeit ein. Der amtierende Premierminister Jiri Paroubek schließt eine große Koalition allerdings kategorisch aus. Paroubek schlug eine Regierung parteiloser Experten vor. Die Entstehung einer anderen Regierung werde seine sozialdemokratische CSSD nicht im Parlament unterstützen, sagte er am Montagabend in Prag. Topolanek erteilte dem Vorschlag postwendend eine Absage. „Erstens finde ich es nicht korrekt, dass die CSSD noch vor ersten Gesprächen Bedingungen stellt, und zweitens weiß ich nicht, ob es parteilose Experten überhaupt gibt“, sagte der ODS-Vorsitzende. Neben inhaltlichen Differenzen gilt die persönliche Abneigung der beiden Spitzenkandidaten als entscheidendes Hindernis für eine große Koalition. Mirek Topolánek und Jiri Paroubek haben sich im Wahlkampf heftige Gefechte geliefert, in denen es regelmäßig zu persönlichen Beleidigungen gekommen ist.

Für die künftige Ausrichtung der tschechischen Politik hängt viel vom Ergebnis der Koalitionsverhandlungen ab, denn die beiden großen Parteien sind mit konträren Programmen in den Wahlkampf gezogen: Während die ODS tiefgreifende Reformen in allen Bereichen von der Steuer- bis zur Gesundheitspolitik angekündigt hat, scheut sich die CSSD vor sozialen Einschnitten und strebt stattdessen einen Linksruck an.

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