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Praxisgebühr: Klinisch tot

Die meisten Länder sind gegen die Praxisgebühr. Nun diskutieren sie über deren Abschaffung.

Berlin - Die Überlebenschance für die Praxisgebühr wird immer geringer. Nach der Opposition und der FDP im Bund drängen nun auch die Gesundheitsminister der Länder mehrheitlich darauf, den Arztbesuchern die zehn Euro pro Quartal zu erlassen. Ein entsprechender Antrag der Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) sei im Vorfeld der Gesundheitsministerkonferenz von zehn der 16 Länder gutgeheißen worden, hieß es aus Teilnehmerkreisen.

Der bei Patienten wie Ärzten gleichermaßen unbeliebte Obolus steht im Zentrum des am Mittwoch begonnenen, zweitägigen Ministertreffens in Saarbrücken. Wie die Abstimmung ausging, stand bis Redaktionsschluss noch nicht fest. Weitere Punkte sind der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen, die Akademisierung von Pflegeberufen sowie die Anregung, das Thema Organspende künftig auch im Schulunterricht zu behandeln.

Die Praxisgebühr habe sich als Steuerungsinstrument „nicht bewährt“, argumentierte die Hamburger Senatorin in ihrem Antrag. Die Zahl der Behandlungsfälle sei nicht gesunken, sondern weiter gestiegen – und zwar von 473 Millionen im Jahr 2004 auf 564 Millionen im Jahr 2009. „Auch konnte die Sorge nicht ausgeräumt werden, dass die Praxisgebühr bei Personen mit geringem Einkommen zu einer medizinisch unvertretbaren Nichtinanspruchnahme führt“, heißt es weiter. Und die mit der Praxisgebühr erzielten Einnahmen von bis zu zwei Milliarden Euro würden „durch zahlreiche zum Teil versteckte Kosten deutlich relativiert“. So seien für den Bürokratieaufwand 360 bis 500 Millionen Euro zu veranschlagen.

Im Bund sperrt sich nur noch die Union gegen die Abschaffung der im Jahr 2004 eingeführten Gebühr. Doch auch Hessens Gesundheitsminister Stefan Grüttner (CDU) hat sich bereits für die Streichung starkgemacht. Bayerns Gesundheitsminister Marcel Huber (CSU) dagegen erklärte am Mittwoch, auf die Gebühr nicht verzichten zu können. Wer die Abschaffung fordere, müsse auch einen „soliden Vorschlag zur Gegenfinanzierung“ vorlegen.

Der AOK-Bundesverband riet davon ab, die Gebühr vorschnell zu streichen. „Für chronisch Kranke und Geringverdiener wäre das bloß ein Nullsummenspiel und würde sie um keinen einzigen Euro entlasten“, sagte Verbandschef Jürgen Graalmann dem Tagesspiegel. „Sinnvoller wäre es, nach der Bundestagswahl das gesamte Konstrukt von Zuzahlungen auf den Prüfstand zu stellen und in eine neue Form zu gießen.“ Dabei müsse dann auch Vorsorge und Prävention eine wichtige Rolle spielen.

Am Ziel, Patientenströme zu lenken und die Hausärzte im System zu stärken allerdings sollte „zwingend festgehalten“ werden, forderte Graalmann – auch wenn dies mit der Praxisgebühr in ihrer jetzigen Ausgestaltung nicht erreicht worden sei.

Dass die Streichung bei chronisch Kranken und Geringverdienern nicht im Geldbeutel ankomme, liege an der geltenden Chronikerregelung, sagte Graalmann. Danach sind für solche Patienten schon jetzt sämtliche Zuzahlungen auf ein Prozent des Einkommens begrenzt. „Die 50 Euro im Jahr, die ihnen mit der Praxisgebühr für Arzt und Zahnarzt erlassen würden, wären dann für Arznei-, Heilmittel- oder Klinikzuzahlungen fällig, die derzeit nicht zu Buche schlagen, weil sie noch über der Zuzahlungsgrenze liegen“, sagte Graalmann. Profitieren würden vom Wegfall nur Patienten, die selten zum Arzt gehen.

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