zum Hauptinhalt
Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (l. - CDU) während der Pressekonferenz am Freitag im Staatsministerium in Stuttgart. Neben ihm stehen Innenminister Heribert Rech (CDU - r.) und Umweltministerin Tanja Gönner (CDU). Mappus verteidigt das Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten.

© dpa

Pressekonferenz: Mappus verteidigt Vorgehen der Polizei

Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat im Konflikt um das Bahnprojekt Stuttgart 21 alle Beteiligten zur Abrüstung aufgerufen - das gewaltsame Vorgehen der Polizei allerdings verteidigt.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat im Konflikt um das Bahnprojekt Stuttgart 21 alle Beteiligten zur Abrüstung aufgerufen. „Die Bilder von gestern dürfen sich nicht wiederholen“, sagte Mappus am Freitag in Stuttgart. „Es darf keine weitere Eskalation, keine weitere Verletzten bei Demonstranten und Polizisten geben.“ Zugleich verteidigte er das gewaltsame Vorgehen der Einsatzkräfte. „Ich stelle mich hinter unsere Beamtinnen und Beamten.“

Die Polizisten seien von Demonstranten mit Flaschen beworfen und mit Reizgas besprüht worden. „Keiner steht in unserem Land über dem Recht.“ Auf eine solche Situation hätten die Beamten reagieren müssen. Sie gingen mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken gegen Aktivisten vor. Der CDU-Politiker bedauerte, „das ein solches Vorgehen notwendig geworden ist“. Mappus zeigte sich berührt von Gesichtern und Kommentaren der Protestierer, vor allem der Schüler. Daher wolle er sich nun mit einer Schülergruppe treffen und „in aller Ruhe diskutieren“.

Er rief die Gegner auf, sich mit den Projektträgern an einen Tisch zu setzen. „Wir brauchen in dieser schwierigen Situation Gesprächsbereitschaft und Gesprächsfähigkeit.“ Die Bürger könnten sich einbringen. Es gebe Verbesserungsmöglichkeiten und er sei offen für alle Diskussionen - auch über Bürgerentscheide zur genauen Ausgestaltung des Projektes oder Gutachten. Zugleich verteidigte er die Notwendigkeit von Stuttgart 21: „Stuttgart 21 ist ein Generationen-, ein Jahrhundertprojekt“, sagte Mappus. „Ich möchte mich nicht in 20 oder 30 Jahren von unseren Kindern und deren Kindern fragen lassen müssen, warum wir diese einmalige Chance nicht ergriffen haben. Vielleicht auch nur, weil eine Landtagswahl bevorsteht“, sagte Mappus mit Blick auf die Wahl am 27. März 2011. Parlamentarische Beschlüsse und die Entscheidungen unabhängiger Gerichte müssten aber weiter gelten - daher sei das Milliardenprojekt auch ausreichend legitimiert.

Nach der Eskalation im Konflikt um das Milliarden-Bahnprojekt Stuttgart 21 hatte zuvor die Bundesregierung neue Gespräche zwischen Gegnern und Befürwortern angemahnt. Es gebe viele Möglichkeiten, die Interessen und Sorgen der Bürger bei der Ausgestaltung des Projektes aufzunehmen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Voraussetzung dafür sei, dass beide Seiten „in guter Absicht“ in solche Gespräche gingen. Ein Baustopp komme aber nicht infrage. Am Donnerstag war die Lage im Schlossgarten aus dem Ruder geraten. Mit Wasserwerfern und Tränengas räumten Hundertschaften das Baufeld. Hunderte Demonstranten wurden verletzt.

Auch Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) forderte von beiden Seiten, aufeinander zuzugehen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verband das Bauvorhaben erneut mit der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 27. März. Bei der Wahl gehe es auch um die Zukunftsfähigkeit des Landes insgesamt, sagte Merkel im SWR. Zu den Protesten am Donnerstag sagte sie: „Ich wünsche mir, dass solche Demonstrationen friedlich verlaufen. Das muss immer versucht werden, und alles muss vermieden werden, was zu Gewalt führen kann.“  Grünen-Chef Cem Özdemir übte scharfe Kritik an Merkel, weil sie nur die Demonstranten zur Friedfertigkeit aufrief. „Sie hätte ihren Appell an den Innenminister und an ihre Parteifreunde der CDU in Baden-Württemberg richten müssen - von denen geht die Gewalt aus.“

Die Lage auf dem Baufeld für Stuttgart 21 im Schlossgarten blieb auch am Freitag angespannt. Tausende Demonstranten hatten in der Nacht lautstark und heftig gegen das Fällen der ersten 25 Bäume protestiert. Von Mitternacht an durfte gefällt werden, gegen 01.00 Uhr liefen die Kettensägen. Bagger rissen Bäume aus dem Boden. Innerhalb kürzester Zeit lag einen Gutteil der ersten 25 Bäume flach. Die Aktivisten machten stundenlang mit Trillerpfeifen und Sprechchören ihrem Unmut Luft. Mehr als 1000 Polizisten sperrten das Areal nahe des Hauptbahnhofs ab.

Die Polizei sprach am Morgen von gut 1500 bis 3000 Demonstranten. „Friedlich ist was anderes“, sagte ein Sprecher. Immer wieder seien aus der Menge der Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 heraus Flaschen und Kastanien in Richtung Polizei geflogen. Vermummte Demonstranten hätten wiederholt versucht, über die Absperrgitter zu klettern. Die Beamten setzten erneut Pfefferspray ein. Die Gewerkschaft der Polizei nahm die Beamten gegen Vorwürfe in Schutz. Den Polizisten sei von Anfang an ein hohes Aggressionspotenzial entgegengeschlagen, so GdP-Chef Konrad Freiberg am Freitag in Berlin. Freiberg sagte, das baden-württembergische Innenministerium werde den Einsatz ausführlich dokumentieren.

„Natürlich haben die Gegner des Projektes ein Interesse, die Polizei in ein schlechtes Licht zu stellen. Am Ende des Tages wird sich aber einiges relativieren.“ Sprecher der Demonstranten erhoben schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Matthias von Herrmann von der „Initiative Parkschützer“ sagte in der ARD, die Protestierenden würden kriminalisiert. Die Gewalt sei ausschließlich von der Polizei ausgegangen. „Es gab Schläge ins Gesicht und an die 400 Augenverletzungen durch Tränengas.“ Herrmann sagte, er erwarte für eine neue Großdemonstration am Freitagabend bis zu 100 000 Teilnehmer.

Der Bundestags-Innenausschuss wird sich erst am kommenden Mittwoch mit den Auseinandersetzungen in Stuttgart beschäftigen. Die kurzfristig von der Opposition beantragte Sondersitzung war nach Ansicht des Unions-Innenexperten Hans-Peter Uhl eine reine Inszenierung. Der Linke-Innenexperte Jan Korte warf Union und FDP vor, sich aus der Verantwortung ziehen zu wollen.

Laut Polizei sollen die Baumfällarbeiten am Freitag vorübergehend abgeschlossen werden. Die ersten 25 Bäume, die bei der ersten Fällaktion beseitigt werden sollten, seien alle abgesägt. Es gehe jetzt darum, das Baufeld aufzuräumen. Danach werde vermutlich ein fester Bauzaun aufgebaut. Das Projekt Stuttgart 21 sieht den Umbau des Kopfbahnhofs in eine unterirdische Durchgangsstation und deren Anbindung an die geplante ICE-Neubaustrecke nach Ulm vor. Die Bahn rechnet mit Gesamtkosten von sieben Milliarden Euro. Kritiker befürchten eine Kostensteigerung auf bis zu 18,7 Milliarden Euro. (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false