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Keine Sternstunde im Parlament: Fraktionschef Volker Kauder im Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) heut im Bundestag.

© dpa

Presseschau: Eine ordentliche Tracht Prügel

Ein Blick durch den deutschen Blätterwald: Heute mit einer alten und einer werdenden Kanzlerin. Und zu viel Eigenlob.

Von Lutz Haverkamp

Berlin - So widersprüchlich kann Politik sein - dargeboten in der Bundestagsdebatte am Donnerstag. Zwei Themen dominierten dort die Tagesordnung und bestimmen heute die Kommentarspalten der Tageszeitungen. Parteipolitische Einigkeit und Konsens im Hohen Haus beim großen Thema. Gezänk, Wahlkampf, Beleidigungen, Spott und Hohn beim kleinen Thema. Es ging um die Milliardenhilfe für das klamme Zypern (neun Milliarden Euro – also großes Thema?) und die Quote in Aufsichtsräten deutscher Unternehmen  (ein paar wenige gut bezahlte Frauen – also kleines Thema?). Oder genau andersherum?

Medien finden das strittige Thema Frauenquote natürlich viel spannender, Leser vermutlich auch. Und der Tenor in den Zeitungen ist eindeutig. Die Politik bezieht eine ordentliche Tracht Prügel für die Vorstellung. Stephan Wiehler problematisiert im Tagesspiegel das Thema Fraktionszwang und kommt zu dem Ergebnis: „Frauen, die stillhalten, nutzen der Gleichstellungspolitik wenig.“

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ kommentiert, dass es den Abgeordneten im Bundestag eigentlich vor sich selbst hätten grausen müssen. Keine der „vielbesungenen Sternstunden des Parlaments“, sondern Frauen, die andere Anti-Quoten-Frauen in die Hölle wünschen, ein Unionsfraktionschef auf „verschlungenen Wegen“  und eine Arbeitsministerin auf dem „Weg zum Zenit. Oder darüber hinaus.“

Die „Süddeutsche Zeitung“ gibt dem Thema Frauenquote den Aufmacher auf der Seite 1, das Tagesthema auf der Seite 2 und einen Leitartikel auf der Seite 4. Zypern spielt, wie in den meisten anderen Blättern auch, mit achteinhalb Zeilen auf der Seite 1 nachrichtlich in der dritten Klasse. Und Prügel gibt es für die Kanzlerin – nicht für Ursula von der Leyen: „In der Auseinandersetzung der beiden Frauen ist die größte Stärke Merkels zu ihrer größten Schwäche mutiert. Ihre Überzeugungen sind, vorsichtig gesagt, flexibel“, schreibt das Blatt und kommt einige Zeilen später zu der Erkenntnis: „Leyen hat bewiesen, dass sie die nötige Nervenstärke für eine Kanzlerschaft besitzt.“

Da kann die amtierende Kanzlerin nur indirekt kontern. Und zwar im zweiten Teil des ach so exklusiven „Bild“-Interviews teilt sie dem Leser mit: „Das Beste für Deutschland ist die Fortsetzung der Politik der Bundesregierung.“ Wie war das noch mit dem Eigenlob. . .?   

Apropos Zypern, das große Thema. Die „Berliner Zeitung“ fragt: „Hätte der Bundestag auch ablehnen können? Die Antwort lautet: Nein.“ Nun ja, das erklärt’s. Zypern ist wirklich kein Thema.          

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