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Preußische Treuhand: Die Angst geht um

"Ich finde die Sache unanständig": Im polnischen Lidzbark Warminski wächst die Angst vor dem deutschen Rentner Felix Hoppe, der aus dem damaligen Ostpreußen vertrieben wurde und heute mehrere Straßen und Gebäude zurück verlangt.

Lidzbark Warminski - Seit die Preußische Treuhand beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagt, hat der Bürgermeister von Lidzbark Warminski alle Hände voll zu tun, um die Menschen zu beruhigen. Denn eine der 22 Klagen deutscher Vertriebener auf Rückgabe früheren Eigentums betrifft mehrere Straßen seiner kleinen Stadt in Masuren im Nordosten Polens. Die hieß vor dem Krieg Heilsberg und gehörte zu Ostpreußen. "Ich bin sehr beunruhigt", sagt eine etwa 40-jährige Frau, die ihren Namen nicht nennen will. "Ich wohne in einem Haus, das Eigentum der Stadt sein soll. Der Bürgermeister wiegelt ab, aber ich habe gehört, dass mein Haus zu den zurückgeforderten Gütern gehört."

Der Deutsche Felix Hoppe, der heute als Rentner in Münster lebt, verlangt mehrere Grundstücke und Häuser in Lidzbark Warminski zurück. Hoppe wurde 1931 in Heilsberg geboren. Bei Kriegsende musste seine Familie die Stadt auf der Flucht vor der Roten Armee verlassen. Fast alle Deutschen wurden vertrieben. Die kommunistischen Behörden siedelten in Lidzbark Warminski Polen aus den ehemals ostpolnischen Gebieten an, die nach dem Krieg an die Sowjetunion fielen. Heute leben in den Häusern auf den Grundstücken, die Hoppe zurückfordert, fast 2000 der 17.000 Einwohner der Stadt.

"Sie wohnen in jemand anderes Eigentum"

"Ich finde die Klagen legitim", sagt Hoppe. "Warum sollte ich mir irgendwelche moralischen Gedanken machen? Das wurde den Deutschen geraubt." Was damals geschah, sei ein "Verbrechen" gewesen und ein "Völkerrechtsverstoß", sagt der Rentner. Deshalb klage er. Den heutigen Bewohnern der Häuser würde er sagen: "Sie wohnen in jemand anderes Eigentum." Hoppe klagt über die umstrittene Vertriebenenorganisation Preußische Treuhand. Die sorgt schon seit ihrer Gründung im Jahr 2000 mit Rückgabeforderungen für erhebliche Unruhe in den deutsch-polnischen Beziehungen, erst recht jedoch, seit sie Ende vergangenen Jahres tatsächlich 22 Klagen beim Straßburger Menschenrechtsgerichtshof einreichte.

"Ich finde diese Sache unanständig", sagt der Geschichtslehrer Slawomir Skowronek vom Lyceum der Stadt. "Der Zweite Weltkrieg hat eine ganze alte Welt zerstört. Heilsberg wäre einfach eine kleine deutsche Stadt geblieben und Herr Hoppe hätte seinen Besitz behalten, wenn die von seinen Eltern gewählte Regierung nicht dem ganzen Globus den Krieg beschert hätte." Skowronek denkt wie die derzeitige nationalkonservative Regierung in Warschau, dass der deutsche Staat für alle an Polen gerichteten Forderungen einstehen sollte. Doch Berlin hat eine solche Lösung, bei der Deutschland sich mit Entschädigungsforderungen von Vertriebenen in unabsehbarer Höhe konfrontiert sehen könnte, wiederholt abgelehnt.

"In Lidzbark Warminski steht nichts zu befürchten"

Als Lidzbark Warminskis Bürgermeister Artur Wajs von Hoppes Klage erfuhr, ordnete er sofort an, die Kataster zu überprüfen. "Alles ist in Ordnung und in Lidzbark Warminski steht nichts zu befürchten", versichert er seinen Mitbürgern immer wieder. Auch der Rentner Jerzy Wierzbicki hat die Worte des Bürgermeisters im Radio gehört. Er fühlt sich sicher in seinem Haus, weil es abbezahlt ist. Vor kurzem hat er der Stadt auch das Grundstück abgekauft, auf dem es steht. "Wenn Entschädigungen gezahlt werden müssen, dann bin nicht mehr ich dran, sondern die Regierung, die mir das alles verkauft hat."

Doch die Stimmung in der Region ist angespannt. Nicht überall sind die Kataster so sorgsam aktualisiert worden wie in Lidzbark Warminski. Hinzu kommen Lücken in der polnischen Gesetzgebung, mit deren Hilfe Deutsche vor polnischen Gerichten schon erfolgreich die Rückgabe früheren Besitzes erstritten haben. (Von Stanislaw Waszak, AFP)

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