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Primarschule: Hamburger Senat als Sitzenbleiber

Die Primarschule war Herzstück von Schwarz-Grün in Hamburg. Scheitert sie, ist die Koalition am Ende

Das Volksbegehren gegen die Schulreform macht dem schwarz-grünen Senat in Hamburg schwer zu schaffen. Der außerparlamentarische Druck ist größer als der, den SPD und Linke in eineinhalbjähriger Bürgerschaftsopposition je aufbauen konnten. Wenige Tage nach dem Schock, den die rund 180 000 Unterschriften gegen ihre Schulpolitik bei CDU und Grün-Alternativer Liste (Grüne) ausgelöst haben, sind Bürgermeister Ole von Beust und seine Schulsenatorin Christa Goetsch bemüht, den Schaden zu begrenzen.

Beharren die Gegner der sechsjährigen Primarschule und der Einschränkung des Elternrechts, die Initiative „Wir wollen lernen“, auf ihrer Ablehnung, kommt es im Sommer nächsten Jahres zu einem Volksentscheid. Damit könnten die Reformpläne, die eigentlich mit dem Schuljahr 2010/11 starten sollen, noch im letzten Moment gestoppt werden – was ein Chaos bei Schulbehörden und eine heftige Verwirrung bei den Eltern auslösen würde. Das wäre nicht nur eine empfindliche Niederlage für alle Befürworter längeren gemeinsamen Lernens, sondern ein klares Zeugnis des Scheiterns für die schwarz-grüne Koalition in Hamburg. Denn die Schulreform gilt als das Herzstück des Koalitionsvertrages zwischen Union und Grünen. Für die CDU steht die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel, aber größerer Schaden droht den Grünen: durch die Krise könnte ihre Regierungsbeteiligung in Frage gestellt werden.

In den vergangenen anderthalb Jahren hatte sich Beust mit seinem Regierungspartner komfortabel eingerichtet – nicht zuletzt weil die Grünen sich aus Bündnistreue im Zweifelsfalle eher an den Koalitionär als an Parteitagsbeschlüsse klammerten. Nun aber kann der Imageabsturz die CDU nicht kalt lassen. Die Reformgegner werden in der Hansestadt massiv von der außerparlamentarisch arbeitenden FDP unterstützt. Und die Liberalen frohlocken – wissen sie doch, dass es innerhalb der CDU in Sachen Bildungspolitik brodelt. So haben sich prominente Parteimitglieder auch öffentlich gegen die aktuelle schwarz-grüne Politik ausgesprochen, statt ihre Kritik auf Parteizusammenkünften zu äußern.

Da die Grünen bereits Zugeständnisse in Sachen Kohlekraftwerk Moorburg und Elbvertiefung gemacht haben, droht ihnen nun ein weiterer Gesichtsverlust. Die grüne Schulsenatorin Goetsch möchte deshalb hart bleiben. Und so führt die stellvertretende Bürgermeisterin die bereits begonnene Lehrerfortbildung in Sachen Primarschule fort. Sie will auf Aufklärung setzen. Doch Rundbriefe aus ihrer Behörde haben in den letzten Monaten oft ihre Adressaten nicht erreicht, regionale Schulkonferenzen wurden ignoriert. Oder der Dienstaufsicht mangelte es daran, was eigentlich von jeder Lehrkraft gefordert wird, nämlich den Inhalt verständlich zu vermitteln. Dennoch wusste Goetsch bis zuletzt von Beust an ihrer Seite.

Doch der Bürgermeister will nicht einen Volksentscheid riskieren, der ihm eine weitere bittere Niederlage bescheren könnte. Es waren übrigens die Grünen, die die Verbindlichkeit eines Volksentscheids im Koalitionsvertrag durchgedrückt hatten. Mindestens 249 000 Stimmen sind dafür notwendig, und für den Erfolg würde die Mehrheit der abgegebenen Stimmen reichen. So will man sich nun erst einmal gemeinsam an einen Tisch setzen – ein Vorschlag aus den Reihen der SPD übrigens, die bildungspolitisch in der Elbmetropole auch selten mit einer Zunge spricht.

Weil das Thema Schule auch ein hoch emotionales ist, versuchen es von Beust und Goetsch nun, wie aus der Psychologie bekannt, mit einem Mediator. Für die Rolle als Moderator hat man den Aufsichtsratsvorsitzenden des in Hamburg ansässigen Otto-Versandhauskonzerns, Michael Otto, ausgewählt. Von seinem Verhandlungsgeschick wird es abhängen, ob der jetzige Senat ohne größere Beschädigungen aus diesem Desaster hervorgeht. Bis jetzt haben lediglich die Jungen Liberalen den Rücktritt von Goetsch gefordert.

Dieter Hanisch[Hamburg]

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